Vogue, Ford, Theater Bremen
Das Fotoshooting mit der Modefotografin Esther Haase: begleitet von Farina Holle und Diana König
Weil der Intendant immer mit dem Fahrrad kommt, ist einer der Theater Bremen-Parkplätze frei. Ein unprosaischer Ort: Pflastersteine vor einer kargen Betonwand, an der eine efeuartige Pflanze hochklettert, die ihre Nährstoffe aus dem Verborgenen zieht. Ein idealer Ort für einen Hund, das Bein zu heben. Einer der tristesten Plätze auf dem Gelände, aber in ein paar Stunden soll hier das Fotoshooting starten.
Wenn sogar das Efeu spannend wird ...
Termin 1: Rosenkavalier im Efeudickicht. Ist die biedere Efeupflanze nicht das Wahrzeichen der Spießer*innen, die längst Leidenschaft gegen praktische Gartenpflege getauscht haben? Ist das nicht der Tod jeder Erotik? Gibt es das, die Zügellosigkeit hinter der bewucherten Wand? Und wenn ja: Wollen wir das sehen? Wir wollen: Esther Haase ist da. Die Requisite hat Blüten ins Efeu geflochten, Nadine Lehner und Nathalie Mittelbach in berauschenden, roten Kostümen geben sich dem Auge der Kamera hin, befolgen die Anweisungen der Fotografin, legen eine Schulter frei oder einen Rock ab. Auf dem Hinterhof beginnt es zu knistern. Bei Esther Haase wird’s selbst im Efeu heiß.
Vom Parkplatz geht es zum Spielplatz gegenüber des Theaters. Glücklicherweise sind nicht viele Kinder da und keines will gerade schaukeln: Das wollen nämlich wir! Also los geht’s! Die Familien im Sandkasten nehmen den Überfall gelassen, während hinten Sterne und Kuchen gebacken werden, beginnt vorne dezent das Spiel der Verführung – doch wer verführt hier eigentlich wen? Octavian die Feldmarschallin oder Esther Haase die beiden Sängerinnen?
Wir können die Frage jetzt nicht klären, wir haben keine Zeit.
Wir müssen weiter zu Termin 2 auf der Liste: Jenufa. Nadine Lehner soll schnell umgeschminkt werden, dann geht es ab in die seit dem Morgen auf dem tristen Parkplatz stehende, mit Wasser gefüllte Badewanne. Nathalie Mittelbach nimmt schon mal den Oberlippenbart ab, da hat Esther noch eine Idee: Beide sollen noch einmal die Treppen runterspringen und dabei über die Schulter schauen! Nur für ein Handyvideo! Der Bart also wieder ran (Maskenbildnerinnen haben wir zwei dabei) und los geht’s.
Nadine Lehner läuft nach dem dritten Treppensprung gleich lachend weiter in die Maske, während Esther Haase die Badewanne kritisch beäugt. Der Bambus wirft Schatten aufs Wasser. Das geht gar nicht. Die Badewanne muss weg. Eilige Telefonate, dann kommen die Kollegen von der Bühnentechnik und tragen die volle Wanne in die Sonne. Gerettet.
Warten auf den richtigen Augenblick
Nadine Lehner ist zurück. Jetzt heißt es untertauchen: Unter Wasser dann die Augen auf – oben ist nicht nur die blendende Sonne, sondern auch Esther Haase. Sie balanciert breitbeinig auf dem Badewannenrand und wartet auf den richtigen Ausdruck. Anstrengend für Nadine Lehner nach vier Stunden Probenarbeit und schon einer guten Stunde Fotoshooting. Der Hof ist ruhig, die lockere Atmosphäre um die verführerische Marschallin ist verflogen, jetzt wird es ernst und wir tauchen in die ausweglose Welt von Jenufa ein. Nur Esther sieht das entstehende Bild, ihr Team wartet darauf, dass sie die Speicherkarte der Kamera tauscht, um die Fotos eilig vor Ort durchzugehen. Dann ist das Bild plötzlich da, Esther Haase weiß es, hat es gesehen in dem Moment, als sie auf den Auslöser drückte. Sie lacht, bedankt sich, Nadine Lehner hat frei.
Über Schaumschläger
Jetzt kommen die Sänger: Birger Radde und Christoph Heinrich, sie müssen jetzt auch in die Wanne. Für Don Giovanni geht es gleich wieder ausgelassener zu. Weib, Wein und Gesang – die Giovannis lassen die Korken knallen. Es fehlt noch ein Plattenspieler. Und die Kolleg*innen aus der Requisite arbeiten mit Hochdruck am perfekten Badeschaum – welcher hält der prallen Sonne am besten stand? Der haut- und umweltfreundlichere aus reinem Teebaumöl? Oder doch der Theaterschaum aus der überdimensionierten Konserve? Es bringt alles nichts, am Ende muss doch die große 600 Watt Schaummaschine auf den Parkplatz getragen werden. Erfahrungen mit der Sonne als Einflussfaktor auf Theaterschaum müssen eben erst gesammelt werden, sie ist im Theater eher selten anzufinden.
Vogue, Ford oder Dodenhof
Aber: Wenn Esther Haase kommt, ist vieles möglich, was unmöglich erscheint. Die Fotografin, die sonst auch gern für die Vogue, Ford oder Dodenhof hinter der Linse steht, hat immer ein Team von Menschen um sich, die ihr jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Alles für den perfekten Moment, das perfekte Bild. Gerade in Bremen hat Esther es nicht sehr schwer, denn sie ist hier keine Unbekannte. Da läuft die Kollegin aus der Maske gern ein viertes Mal zurück und lackiert Birger Radde, noch immer in der Badewanne, die Fingernägel schwarz. Alles für das Rockstar-Image. Sie kennt Esther gut, schließlich war sie vor 15 Jahren das Model ihrer Abschlussprüfung als Maskenbildnerin. Denn bevor Esther ihre Karriere als Fotografin startete, absolvierte sie eine Ballettausbildung und arbeitete zwei Jahre als Tänzerin am Theater Bremen. Sie selbst sagt, sie habe Rampenlicht gegen Blitzlicht eingetauschte. Wir meinen, eingetauscht hat sie es eigentlich nicht.
Nach etwas mehr als einer Stunde dürfen die von Schaum, Sekt und kaltem Gartenschlauchwasser getränkten Sänger aus der Badewanne steigen. Wir müssen weiter. Heute Abend beim Wein wird die Referentin des Intendanten, Sophie Domenz, noch schnell die Leitende Dramaturgin des Musiktheaters, Brigitte Heusinger, als Komplizin einladen. Wir brauchen Ideen, das Konzept für das Falstaff-Shooting ist noch nicht vollendet. Der Wein wird es einige Stunden später besiegeln.
17 Kilometer täglich: alles für das perfekte Shooting
In den kommenden Tagen folgen weitere Shootings. Zwei im Bürgerpark, eins auf dem Dach des Theaters, am Werdersee, in der Weinbar Engel, an der Contrescarpe und mit Schlachtbeil und zwei Litern Kunstblut in der Theaterkantine. Am Ende werden unsere Schrittzähler uns sagen, dass wir täglich etwa 17 Kilometer gelaufen sind. Wir werden gefühlte 190 Kostümteile zurück in den Fundus einsortieren und Einkaufswagen voll Requisiten verstauen. Dafür bekommenen wir zehn überraschende Geschichten, in Szene gesetzt und festgehalten in zehn Bildern. Danke, Esther!