Vorstellung fällt aus ... und jetzt?

Gut 90 Vorstellungen mussten in dieser Spielzeit wegen Corona abgesagt werden. Was das jeweils für das Team an der Kasse bedeutet: Diana König hat mit Gert Güdter, dem Leiter der Theaterkasse gesprochen.

Herr Güdter, das eine Vorstellung abgesagt werden muss, passiert immer mal wieder – aber in dieser Spielzeit mussten wir das extrem häufig machen, weil zu den üblichen Krankheitsabsagen auch noch viele Coronafälle in den Ensembles kamen. Sie leiten seit 25 Jahren die Theaterkasse. Haben Sie so eine Spielzeit schon mal erlebt?

Gert Güdter: Das kann ich eindeutig mit „Nein“ beantworten. Normalerweise haben wir so zwei Vorstellungsänderungen im Monat – und das heißt ja dann noch nicht mal unbedingt, dass wir komplett absagen, sondern oft bieten wir dann ja eine Ersatzvorstellung an.

Wenn jemand krank ist, wird im Theater immer zuerst das Künstlerische Betriebsbüro benachrichtigt. Dann schauen Intendant, Disponentin und Dramaturgie gemeinsam, ob wir die Vorstellung halten können, ob wir zum Beispiel die erkrankte Person umbesetzten können. Oft schaffen wir das, aber nicht immer. Wenn wir eine Vorstellung absagen müssen, was heißt das dann für Sie und Ihr Team?

Gert Güdter: Oberste Priorität hat die Benachrichtigung der Zuschauer. Das geschieht auf unterschiedlichen Wegen, zum Teil telefonisch – wobei man dabei berücksichtigen muss, dass man natürlich nicht jeden Besucher beim ersten Mal erreicht, da sind oft mehrere Anrufversuche notwendig. Zum anderen benachrichtigen wir per E-Mail. Insgesamt haben wir in den allermeisten Fällen eine sehr gute Quote und können nahezu alle Zuschauer erreichen. An so einem Tag leidet da natürlich unsere eigene Erreichbarkeit – wenn wir alle telefonieren, sind wir eben telefonisch selbst nicht erreichbar … Abgesehen davon war natürlich auch meine Abteilung nicht von Krankheitsfällen und Corona verschont, so dass wir den Mehraufwand häufig mit weniger Personalkapazität bewerkstelligen mussten.

Wie reagieren die Besucher:innen eigentlich, wenn Sie anrufen und absagen?  

Gert Güdter: In den überwiegenden Fällen wird neben der Enttäuschung über den Vorstellungsentfall die Serviceleistung, dass wir anrufen, als sehr positiv empfunden. Dass wir da schnell benachrichtigen, ist sehr wichtig. Wir haben ja auch viele Besucher, die extra anreisen.

Aber mit den Anrufen an diesem Tag ist es noch nicht getan, oder?

Gert Güdter: Nein. Die Rückabwicklung verursacht einen ungleich höheren Aufwand, als der Verkauf einer Karte. Die einfachsten Fälle sind dabei, wenn jemand zur Theaterkasse kommt und die Erstattung bar erfolgt. Das ist aber eher selten. Meistens ist eine Banküberweisung erforderlich oder bereits eingelöste Gutscheine müssen neu erstellt und in die Post gegeben werden …

Betroffen waren ja auch immer wieder Abo-Vorstellungen. Aber die Abonnent:innen sind uns trotzdem recht treu geblieben, oder?

Gert Güdter: Das stimmt. Obwohl wir den Abonnenten in dieser Spielzeit viel zumuten mussten an Ausfällen, Verschiebungen und Umbuchungen. Teilweise konnten wir die Abonnement-Karten auch nur sehr kurzfristig zusenden, aber das resultiert aus dem hohen Aufwand, den wir wegen der Vorstellungsausfälle hatten. Wenn zum Beispiel eine Premiere ausfällt, benachrichtigen wir natürlich und buchen dann um. Wenn wir das Premierenabo dann in die zweite Vorstellung, die ja dann die Premiere ist, umbuchen, dann müssen wir natürlich viele Menschen umplatzieren, denn es sind ja bereits Plätze verkauft oder durch andere Abos belegt.

Kann man so eine Vorstellung eigentlich besser und schlechter absagen? Was ist wichtig und auf was muss man achten?

Gert Güdter: Nein, die Abläufe haben wir nun wirklich geprobt. Da haben wir eine Routine, die alle Eventualitäten berücksichtigt.

Sie gehen im Herbst in den Ruhestand, wenn ich das verraten darf. Was wird Ihnen am meisten fehlen – ich schätze mal, Vorstellungen absagen, gehört nicht dazu …

Gert Güdter: Das kann ich bestätigen. Vermissen werde ich den Theaterbetrieb als Ganzes, den heimlichen Blick auf die Proben, die Atmosphäre vor den Vorstellungen und die Kontakte zu den Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich die vergangenen 25 Jahre geteilt habe.

 

 

Veröffentlichung: 27.6.22