Warum eigentlich … Stadtverwaldung?

Monika Osteresch, Bereichsleiterin Grünpflege und Friedhöfe beim Umweltbetrieb Bremen im Gespräch mit Schauspieldramaturg Stefan Bläske über Baumpatenschaften, Luftqualität und 7.000 Eichen.

Stefan Bläske: Am 25. April ist der Internationale Tag des Baumes. 1872 in Nebraska initiiert und seit 1952 auch in Deutschland, ist er Aufruf, einen Baum zu pflanzen. Also einen pro Jahr, nicht pro Leben. Aber hier in Bremen darf ich das vermutlich nicht einfach an einer grünen Stelle tun?

Monika Osteresch: Doch, im eigenen Garten schon. Im öffentlichen Raum bieten wir Baumpatenschaften an und ermöglichen damit Mitgestaltungsräume für Menschen mit einem Herz für Bäume. Das ist nicht nur ein wunderbarer Beitrag zur Stadtnatur, sondern wird oft auch an die Liebsten verschenkt. Wer darüber hinaus das öffentliche Grün mitgestalten will, kann eine Grünpflegepatenschaft übernehmen. Damit können Menschen mit Leidenschaft zum Gärtnern ein Stückchen Straßenbegleitgrün vor der eigenen Haustür gestalten.

Die Baumpatenschaften kosten 800 Euro. Wie berechnen Sie den Wert eines Baumes und was können Menschen tun, denen das vielleicht zu teuer ist?

Monika Osteresch: Natürlich sind kleinere Spenden ebenso willkommen. Wir vergeben auch Teilpatenschaften ab 50 Euro für einen Gemeinschaftspatenbaum mit anderen Baumfreund*innen. Faktisch ist die Anschaffung eines Baumes aber sehr viel teurer als 800 Euro. Das Herstellen der Bodengrube, das Einbringen der Bodensubstrate, Pflanzung, Verankerung, Pflege und Wässerung – das alles gehört neben dem Kauf aus der Baumschule dazu. Ein junger Baum braucht sehr viel Aufmerksamkeit. Die Baumpatenschaft ist eine großartige Unterstützung, die wir sehr wertschätzen.

Bremen hat den Ruf als grüne Stadt, nicht nur wegen des Werder-Logos. Wie viele Bäume stehen hier? Und wie viele werden es jährlich mehr?

Monika Osteresch: Ja, Bremen ist wunderbar grün, und der Umweltbetrieb Bremen hält gut 20 Millionen Quadratmeter öffentliches Grün in Schuss. Das ist aber längst nicht alles. Es gibt ja noch weitere grüne Oasen, die nicht städtisch organisiert sind, wie etwa den Bürgerpark, der allein schon einen riesigen Baumbestand hat. Was „unsere“ Bäume in den städtischen Parkanlagen betrifft, so sind wir gerade dabei, die schätzungsweise 90.000 Exemplare in unserem Baumkataster zu digitalisieren. Erst wenn das abgeschlossen ist, können wir die genaue Anzahl benennen. Anders bei den Straßenbäumen – die sind bereits alle erfasst. Davon haben wir gut 72.000 Stück in Bremen, ungefähr 3.000 mehr als 2012. Das ist eine gute Entwicklung.

Aktuell ist Beuys-Jahr. Der Künstler und „soziale Plastiker“ Joseph Beuys hat 1982 für die documenta 7 in Kassel 7.000 Eichen pflanzen lassen. Ließe sich so eine große Pflanzaktion im Herbst (laut Ihrer Website die bevorzugte Pflanzperiode) auch für Bremen organisieren?

Monika Osteresch: Grundsätzlich sind wir offen für bürgerschaftliches Engagement! 7.000 Bäume im Herbst zu pflanzen ist allerdings zeitlich und organisatorisch recht unwahrscheinlich. Das sieht man schon an Beuys schönem Projekt, das mehrere Jahre gebraucht hat, um abgeschlossen werden zu können und außerdem wohl zu den teuersten Kunstaktionen seiner Zeit zählt. Die Frage bei 7.000 Eichen – wobei bei dem Projekt neben den Eichen ja auch andere Baumarten gepflanzt wurden – ist auch, wer sich wie beteiligt und wohin sich diese pflanzen lassen. Natürlich sind wir unabhängig von gezielten Aktionen hoch motiviert, neben der Pflege der Bestandsbäume möglichst viele neue Bäume zu pflanzen – es muss aber auch geeignete Flächen dafür geben.

Beuys‘ Projekt hieß „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“. Welche Bäume (außer Eichen) empfehlen Sie für Städte?

Monika Osteresch: Auch Eichen dürfen es sein! Die Zerr-Eiche zum Beispiel hat sich als Klimawandelgehölz einen Namen gemacht. Bei der Auswahl der Bäume müssen in den Städten die schwierigen Standortbedingungen, wie Immissionen, Hitze, Trockenheit oder wenig Wurzelraum, berücksichtigt werden. Das gilt insbesondere für den Straßenraum. Es gibt viele andere klimatolerante Bäume, die wir in den letzten 15 Jahren im Straßenraum erprobt haben, wie den Dreispitz-Ahorn, die Säulen-Hainbuche oder den Amberbaum. In Grünanlagen, also Standorten mit geeigneteren Wachstumsbedingungen, wird natürlich mehr auf eine Auswahl von einheimischen Bäumen, wie zum Beispiel die Stieleiche, zurückgegriffen.

Unsere Schauspieler Shirin Lilly Eissa, die u.a. Ronja Räubertochter spielt, hat vorgeschlagen, zum Tag des Baumes die Theaterfassade mit alten Bühnenbild-Elementen zu „begrünen“. Wir beginnen mit „Theatersymbolik“, planen aber auch echte Dach- und Fassadenbegrünungen. Was empfehlen Sie Institutionen wie uns als Beitrag zur Verbesserung städtischer Lebensqualität?

Monika Osteresch: Da hatte Ihre Darstellerin eine schöne Idee. Die Stadtnatur könnte auch bei Theater-Inszenierungen gern eine viel größere Rolle spielen. Aufführungen in Parkanlagen schaffen oft eine wunderbare Symbiose aus Kunst und Natur. Sie könnten natürlich auch eine Baumpatenschaft übernehmen oder bei jeder Gelegenheit etwas für den Klimaschutz tun: das hilft auch den Bäumen.

Zuletzt, no fun, no risk. Wir proben gerade auch ein Stück von Ödön von Horváth, der wurde in Paris bei Unwetter von einem Baum erschlagen. Wie gehen Sie mit Sicherheitsfragen um bei 160.000 Bäumen?

Monika Osteresch: Verkehrssicherheit hat in unserer gärtnerischen Arbeit die höchste Priorität. Unsere Gärtner*innen sind regelmäßig unterwegs, um alle städtischen Bäume zu kontrollieren und notwendige Pflegearbeiten durchzuführen, damit keine herabfallenden Äste Menschen verletzten. Wir tragen da eine große Verantwortung, insbesondere, da der Klimawandel die Bäume sehr viel anfälliger macht.

Wie kann man sich das vorstellen?

Monika Osteresch: Zum Beispiel werden Krone, Stamm, Wurzelbereich und Blattaustrieb nach Auffälligkeiten untersucht, die auf holzzerstörende Pilze oder Krankheiten hinweisen. Gibt es einen Verdacht, beziehungswiese Symptome, wird der Baum genauer auf Stand- und Bruchsicherheit untersucht, teilweise mit Schalltomographen, Bohrwiderstandsmessungen oder Zugversuchen. Dem entsprechend werden die Pflegemaßnahmen durchgeführt.
Wir tun alles Mögliche, um einen geschädigten Baum so lange wie möglich zu erhalten. Schauen Sie sich mal die betagte Baumhasel in den Wallanlagen am Herdentor an, dann wissen Sie ungefähr, wovon ich spreche. Die alte Dame ist gut 220 Jahre alt und kann nicht mehr alleine stehen. Wir haben sie rundum abgestützt. Manchmal muss ein Baum aber auch gefällt werden, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind – so leid es uns selber oft tut. Niemand soll das gleiche Schicksal wie Herrn von Horváth ereilen.