Warum eigentlich ... Zeppelin?
Dr. Claudia Emmert, Direktorin am Zeppelin-Museum in Friedrichshafen, im Gespräch mit Schauspieldramaturg Stefan Bläske über Luftschifffahrt und Horváth, Ungleichheit und die Sehnsucht nach dem Fliegen.
Stefan Bläske: Die schlechte Nachricht zuerst. Künftig wird man nicht mehr „Z wie Zeppelin“ sagen, sondern „Z wie Zwickau“, denn die „DIN 5009“ zum Buchstabieren von Textteilen soll nur noch aus Orts- und Landschaftsnamen bestehen. Haben Sie protestiert?
Claudia Emmert: Nein, wir sind uns sicher, dass das Luftschiff und sein Namensgeber Graf Ferdinand von Zeppelin auch ohne diese Unterstützung in Erinnerung bleiben und viele Interessierte nach Friedrichshafen in unser Haus locken werden. Schließlich hat der Zeppelin Geschichte geschrieben. Auch wenn die alten riesigen Luftschiffe 1940 von der Weltbühne verschwanden, leben die technischen Errungenschaften dieser Zeit bis heute weiter, sei es in der Leichtmetallbauweise, in der Antriebstechnik, in der aerodynamischen Forschung oder in der Flugwetterkunde und vielem anderen mehr. Der Zeppelin gehört darüber hinaus zu den wenigen technischen Innovationen, die bis heute Kultcharakter besitzen. Das zeigt sich in zahlreichen Computerspielen oder Science-Fiction Filmen.
Der Zeppelin ist zentrale Metapher in Ödön von Horváths Kasimir und Karoline, das 1929 auf dem Oktoberfest spielt. Da schlägt der Himmelswal alle Jahrmarktsattraktionen, die Menschen schauen hoch und rufen „Majestätisch!“ und „Wie weit wir Menschen es schon gebracht haben“. Woher kam diese enorme Begeisterung?
Claudia Emmert: Tatsächlich sorgte Graf Zeppelin schon von Beginn an dafür, dass seine Luftschiffe zu Kultobjekten wurden. Immer standen Fotograf:innen und Kameraleute bereit, um die Luftschiffe in eindrucksvollen Bildern zu inszenieren. Bei jeder Fahrt waren Journalist:innen an Bord, die enthusiastisch berichteten. Strategisch klug wählte der Graf auch die Routen seiner Luftschiffe aus. So beispielsweise 1908, als LZ 4 über Straßburg fuhr und zuvor informierte Fotograf:innen das Luftschiff über dem Münster ablichteten.
Dieses Luftschiff ist im selben Jahr verbrannt.
Claudia Emmert: Ja, bei Echterdingen. Daraufhin fand das größte Crowd Funding der Zeit statt: innerhalb kürzester Zeit kamen über 6 Millionen Mark zusammen, das sind heute weit über 40 Millionen Euro. Das Aluminiumgerippe des verunglückten Luftschiffs wurde in Souvenirs umgewandelt: Löffel, Schüsseln entstanden und wurden mit einem „Original“-Stempel der Luftschiffbau Zeppelin GmbH versehen. Wer andere Reste ergattern konnte, packte sie in Rahmen und inszenierte sie wie Reliquien.
Bei Horváth gibt es Kritik, Kasimir sagt: „Da fliegen droben zwanzig Wirtschaftskapitäne und herunten verhungern derweil einige Millionen! Ich scheiß dir was auf den Zeppelin, ich kenne diesen Schwindel.“
Claudia Emmert: Die Fahrt mit dem Luftschiff kostete damals so viel wie das Jahresgehalt eines Arbeiters, also rund 1.500 Mark. Das konnten sich nur sehr reiche oder sehr berühmte Menschen leisten. Alle anderen musste mit den zahlreichen Souvenirs vorliebnehmen – oder Post mit dem Luftschiff mitschicken. Aber wer von uns ist je mit einer Concorde geflogen? In wenigen Stunden nach New York? Für bis zu 11.000 Mark hin und zurück? Das ist durchaus vergleichbar, denn mit dem Zeppelin war man für die damalige Zeit unglaublich schnell unterwegs.
Wie ging es weiter mit den Starluftschiffen?
Claudia Emmert: 1924 machte Hugo Eckener, Nachfolger des Grafen, das Luftschiff unsterblich, indem er das Reparationsluftschiff LZ 126 im Herbst über den Atlantik navigierte. Fortan begann die Zeit der großen Pionierfahrten. Aber nachdem LZ 129 Hindenburg am 6. Mai 1937 beim Landeanflug in Lakehurst völlig verbrannte, war es mit der Passagierluftschifffahrt vorbei.
Und heute?
Claudia Emmert: Seit 1997 gibt es wieder einen wesentlich kleineren Zeppelin neuer Technologie, den Zeppelin NT, mit dem vor allem touristische Fahrten über den Bodensee angeboten werden.
Ihr Museum hat zwei Abteilungen: „Zeppelin“ und „Kunst“. Wie bringen Sie das zusammen?
Claudia Emmert: Wir zeigen ein interdisziplinäres Ausstellungsprogramm an den Schnittstellen von Technik, Kunst und Gesellschaft. Während vor allem historische Exponate den Ausgangspunkt der Recherchen sichtbar machen, erweitern zeitgenössische künstlerische Positionen die Perspektiven in utopische Zukunftsszenarien. Durch die Verbindung dieser beiden Ebenen werden historische Themen an die Gegenwart angeschlossen und künstlerische Utopien an die (historische) Realität rückgekoppelt.
Wird es eine Zeppelin-Renaissance geben? Und bekommen wir künftig fliegende Autos und Lufttaxis, oder ist das eher Stoff für Science-Fiction?
Claudia Emmert: Eine Renaissance im Sinne einer Ablösung oder Alternative zum Flugzeug sehe ich nicht, aber die touristische Nische bietet schon Möglichkeiten und der NT hat in Verbindung mit elektrischen Antrieben durchaus Potenzial – das steht und fällt natürlich mit der Finanzierung. Aber Dank ihrer Größe und der zahlreichen Heldengeschichten werden die alten Zeppeline in Film, Kunst und Literatur sicher noch lange lebendig bleiben.
Veröffentlichung: 28.09.21