WAS GUCKST DU? – Michael Börgerdings Favorites

Dieses Interview ist in der Reihe „Was guckst du?“ am 3. Juni im Weser-Kurier in leicht gekürzter Form erschienen. Die Fragen stellte Katharina Frohne.

Was gucken Sie aktuell?

Im Augenblick tatsächlich keine Serie, habe aber in den letzten Wochen ziemlich süchtig und mit großem Vergnügen im ZDF Der Pass mit einer wunderbaren Julia Jentsch und einem überragenden Nicholas Ofczarek gesehen. Spaß gemacht hat auf Netflix The English Game. Und Spur des Geldes (ARTE) und Bad Banks (ZDF) sollte man gesehen haben, wobei die zweite Staffel von Bad Banks nicht an die erste heranragte, aber die Besetzung mit Paula Beer, Albrecht Schuch und Désirée Nosbusch ist so sensationell gut, dass man über ein paar Dinge hinwegsieht.
Es gibt im Augenblick im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Reihe von außergewöhnlich guten Filmen zu entdecken. Zum Teil in Reihen, zum Teil für sich stehend. Max Färberbock zum Beispiel ist ein Regisseur, der es versteht, auch im Tatort-Format traurige, fast französische Filme zu machen wie den letzten fränkischen Tatort mit Dagmar Manzel und Fabian Hinrichs. Sein letzter Film Ich brauche Euch im ZDF war fast noch trauriger, zärtlich und ohne unnötige Erklärungen. Ich bin aber auch seit vielen Jahren Fan von Nachtschicht von Lars Becker mit Armin Rohde (den ich nicht immer mag), Tedros Teclebrhan, Minkh-Khai Phan-Thi und Barbara Auer und mochte die letzte Folge mal wieder sehr. Und verehre Matthias Brandt in den Christian Petzold-Polizeiruf-Folgen. Genau wie ich Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau immer wieder gerne sehe!

Ganz grundsätzlich: Lieber Film oder Serie? (Und natürlich: Warum?)

Gelernt lieber Film – aber Serien ergeben ja auch mit Geduld ein Ganzes, ich mag ja auch die großen Fortsetzungsromane aus dem 19. Jahrhundert, Dostojewski, Flaubert, Fontane.

Ernst oder lustig?

Ernst.

Happy End oder Cliffhanger?

Ich mag Geschichten, die zu Ende erzählt werden, trotzdem offen bleiben.

Wann mussten Sie zuletzt bei einer Serie/einem Film laut lachen?

Der Pass: Nicholas Ofczarek singt in seiner Frühstückskneipe Wolfgang Ambros’ Die Kinettn wo i schlof.

Wann weinen?

Tatsächlich im Kino, lange her, ein Sonntagmorgen in der Gondel, bei The Haendel Variations, ein Film unserer Freundin Christine Jezior über die große Geigerin Ida Haendel.

Haben Sie eine Lieblingsserie/einen Lieblingsfilm (oder beides)?

Dann vielleicht doch das Original: Die Brücke mit Sofia Helin als autistische Ermittlerin Saga Norén. Lieblingsfilm ever: Im Lauf der Zeit von Wim Wenders

Angenommen, Ihr Leben würde verfilmt. Wer spielt die Hauptrolle?

Nicholas Ofczarek? Nein. Meine Frau meint Sepp Bierbichler. Ich würde mir den jungen Hanns Zischler wünschen.

Was lesen Sie momentan?

Ich habe gerade einen sehr traurigen, sehr schönen kleinen Roman zu Ende gelesen, Der Narr und seine Maschine von Friedrich Ani. Leif Randts Allegro Pastell ist tatsächlich (fast) so gut wie alle schreiben und könnte so wichtig sein wie Irre von Rainald Goetz oder Faserland von Christian Kracht. Hat man an einem verregneten Samstag gelesen und blickt mit Wehmut auf seine eigenen Dreißiger. Merkwürdige junge Menschen heute ... Aktuell lese ich Todtnauberg von Hans-Peter Kunisch über Heidegger und Celan, daneben Die Verunglückten von Matthias Bormuth über Bachmann, Johnson, Meinhof, Améry, letzteres in täglichen Dosen, zu suizidal das Ganze. Und abends im Bett Der Schutzengel von Jérome Leroy, der ganz harte Stoff.

Roman oder Sachbuch?

Roman.

Papier oder E-Reader?

Papier.

Welches Buch wünschten Sie, noch einmal zum ersten Mal lesen zu können?

Josef und seine Brüder von Thomas Mann.

Welches Buch hat Sie geprägt? Inwiefern?

Walter Benjamin: Gesammelte Schriften - Band II: Aufsätze, Essays, Vorträge. Immer radikal, niemals konsequent. „Wie Walter Benjamin mit Ideen spielt, spielen die Kinder mit Waffen“, hat Alexander Kluge einmal bemerkt.

Vervollständigen Sie: Lesen ist...

Selbstbefragung und Weltentdeckung.

Wer schreibt Ihre Biografie?

Mein Freund Moritz Rinke – der kann auch auf Glatzen Locken drehen!

Und was hören Sie momentan gern? (Kann alles sein: Song, Album, Spotify-Playlist, Radiosender, Podcast...)

Bremen Zwei.

Was hören Sie generell gern? Pop oder Rock oder ganz was anderes?

Es wird nie hell und es regnet immer - das sind andere Gründe als Corona fürs Daheimbleiben, aber gute: Kings of Convenience aus Bergen in Norwegen.

Wann hören Sie Musik? (Zum Kochen, Aufräumen, Bügeln, Entspannen? In welchen Stimmungslagen?)

Beim morgendlichen Zeitungslesen und beim abendlichen Kochen!

Ein Lied, das Sie glücklich macht?

Wenig originell, aber es ist so: Happy von Pharrell Williams.

Ein Lied, zu dem Sie weinen können?

Hineni, hineni; I'm ready, my lord. – Leonard Cohen: Here I Am.

Angenommen, Mixtapes wären noch ein Ding. Sie nehmen eines auf, eines, das, natürlich, ganz und gar nach Ihnen klingen soll. Was muss unbedingt drauf?

Ohne ein paar Songs von Bob Dylan wäre es vermutlich keines von mir.