Wenn aus Wortspielen ein Dichterwettstreit wird

30 Jahre Poetry Slam Bremen wird am 9. November mit einem Jubiläums-Slam im Theater am Goetheplatz gefeiert. Der Klub Dialog hat uns freundlicherweise erlaubt, einen Text von Solveig Rixmann zweit zu veröffentlichen: Über performte Literatur in Bremen.

Mit Worten, Rhythmik und Betonung spielen, mit Gestik, Mimik und Pausen selbst geschriebene Texte in Szene setzen. Beim Poetry-Slam wird das Spiel mit Literatur zum Dichterwettstreit. Während Poetry-Slam in anderen Städten schon längst zu einer kommerziellen Kunstform geworden ist, hat sich das Format in Bremen den Charakter als Subkultur erhalten.

Poetry-Slam ist performte Literatur.

Selbstgeschriebene Texte werden innerhalb einer vorgegebenen Zeit vortragen. Eine Jury aus dem Publikum benotet die Beiträge. Als Erfinder gilt Performance-Poet Marc Kelly Smith, der dieses Format Mitte der 1980er-Jahre in Chicago entwickelte. In Bremen gibt es wenige Veranstaltungen mit überregionaler Strahlkraft, dafür aber viele, die regional geprägt sind. „Wir haben hier eine relativ groß ausgeprägte Szene“, sagt Sebastian Butte, Slammer und Mitbegründer des Slammer Filet. Irgendwann kamen Leute, die dabei geblieben sind. „Es gibt viele lokale Slammer und Slammerinnen, die in den letzten Jahren hervorkamen“, sagt Sebastian Butte. Die Gruppe der Slammerinnen und Slammer, die regelmäßig an einem Wettstreit teilnehmen, schätzt er auf etwa zehn Personen. Sehr viel mehr Menschen würden sporadisch mit ihren Texten auf die Bühne treten. „Was den harten Kern unserer Szene ausmacht – und das ist, glaube ich, nicht ganz so gewöhnlich – ist, dass wir untereinander befreundet sind“, sagt Sebastian Butte. „Das ist etwas, das die Szene ausmacht.“ Auch Slam-Bremen-Mitorganisator Helmut Plaß sieht darin ein wesentliches Merkmal der Poetry-Slam-Szene. Auch wenn man auf der Bühne im Wettstreit sei, untereinander sei man eng befreundet. „Das schließt sich nicht aus.“

„The points are not the point, the point is the poetry“

„The points are not the point, the point is the poetry“ („Der springende Punkt sind nicht die Punkte, sondern die Poesie.“), gibt Helmut Plaß eine Aussage aus dem Amerikanischen wieder. „Man darf die Bewertung nicht ernst nehmen, es geht darum, dass die Texte auf die Bühne kommen“, sagt er. „Es ist ein Format, das das würzt.“ Helmut Plaß war schon dabei, als der Slam Bremen noch Proppers Poetry Slam Meisters hieß und untrennbar mit Günther Kahrs, alias Meister Propper, verbunden war. Im Lagerhaus wird immer noch jeden zweiten Donnerstag im Monat geslammt.

Der Slam Bremen ist damit nicht nur der erste Poetry-Slam, der in Bremen ins Leben gerufen wurde, sondern auch einer der drei ältesten Poetry-Slams im deutschsprachigen Raum.

Pionier Günther Kahrs bot den oft jungen Dichtern seit Mitte der 1990er-Jahre eine offene Bühne. Seit seinem Tod im Jahr 2009 wird die Veranstaltungsreihe unter dem Namen Slam Bremen fortgeführt. Der Neuanfang war nicht leicht, denn Meister Propper war Organisator und Marke zugleich, er war der mit den Kontakten und hatte alles im Kopf. Das Slam-Bremen-Team änderte die Organisationsstruktur und gab der Reihe einen anderen Namen. Dennoch: Die Dinge, die Proppers Poetry Slam Meisters ausgemacht haben, bleiben. „Wir erhalten uns zwei Dinge, die Propper eingeführt hat“, sagt Helmut Plaß. Zum einen gibt es einen Stargast und zum anderen werden nicht nur Textbeiträge zugelassen. Abgesehen vom Stargast wird niemand eingeladen, die Bühnengäste melden sich für den Auftritt an.

So bewahrt sich der Slam Bremen auch seinen starken regionalen Charakter.

„Die Poetry-Slam-Szene in Deutschland hat sich komplett verändert in den letzten Jahren“, sagt Helmut Plaß. Poetry-Slam hat professionelle Strukturen bekommen, ganze Veranstaltungsagenturen leben von diesem Format. Aus den Slam-Poeten, die einst durch das Land zogen, um ein Publikum für die eigenen Texte zu finden, seien Künstler geworden, die zunehmend auf die Gage schauten; fast alle Slams würden einladen und damit eine Veranstaltung für das Publikum kuratieren, sagt Helmut Plaß. „In Bremen ist das anders“, meint der Bremer. Hier gebe es noch keine wirklich professionellen Strukturen, niemanden der mit der Organisation von Poetry-Slams seinen Lebensunterhalt verdiene. „Der Vorteil ist, dass wir eine unheimlich eingeschworene Poeten-Szene in Bremen haben, die mehr auf Kreativität und weniger auf Gagen schaut.“ Er sieht die Bremer Poetry-Slammer als junge kreative Szene, bei denen Texte und Inhalte im Vordergrund stehen.

 

Die Autorin:
Solveig Rixmann ist als Journalistin in der Lokalberichterstattung zu Hause. Geschichten, die das Leben schreibt, sind ihr Geschäft. Sie liebt ihren Job, weil nichts so abwechslungsreich ist wie der Alltag von Menschen, die sie sonst vielleicht nie getroffen hätte. Sie entdeckt dabei immer wieder entlegene wie verborgene Orte und entlockt ihnen Geheimnisse.

Mit herzlichem Dank für die Erlaubnis der Zweitveröffentlichung an den Klub Dialog und Solveig Rixmann. Der Text Wenn aus Wortspielen ein Dichterwettstreit wird, wurde im Jahr 2018 veröffentlicht, in voller Länge finden Sie ihn hier: https://klub-dialog.de/magazin/wenn-aus-wortspielen-ein-dichterwettstreit-wird

 

 

Veröffentlicht am 30. Oktober 2024