Wenn der Körper und der Mainstream ...

Dramaturg:in Canan Venzky im Gespräch mit Prinz*essin-Regisseurin Katharina Bill über Ausschlussmechanismen, Körperfeindlichkeit und Aktivismus.

Was bedeutet es denn für dich, Aktivismus und Theater zusammenzubringen?

Katharina Bill: Ich habe in Hildesheim Kulturwissenschaften und Szenische Künste studiert und da habe ich gelernt immer wieder zu fragen: Was bedeutet das, was ich tue – formal, ästhetisch und inhaltlich – und in welchem Rahmen und in welchem Raum findet das statt? Also, was ist überhaupt ein Raum und wie politisch sind Räume: ein Privatraum, ein öffentlicher Raum, ein Durchgangsraum usw.? Seitdem begreife ich das Theater als spezifischen Raum, in dem Macht verhandelt wird und in dem erzähle ich, wovon ich erzählen kann. Ich meine aber nicht: Ich bin fett und deswegen erzähle ich nur über Fett-sein. Die ganzen machtkritischen Diskurse um Körperbilder und Körperpolitik sind Themen, die ich wirklich verstehen möchte. Das treibt mich an, mich dazu in jeder Hinsicht künstlerisch und aktivistisch zu verhalten.

Prinz*essin heißt die Produktion, die du jetzt mit sieben jungen Akteurinnen auf die Bühne im Brauhaus bringst. Was macht die Theaterarbeit mit Jugendlichen auf eine aktivistische und politische Weise besonders?

Wenn ich mit jungen Erwachsenen arbeite, weiß ich, dass Körperfeindlichkeit sehr relevant ist in diesem Alter. Wir Erwachsenen haben uns schon verhärtet. Wir haben vielleicht schon Rüstungen angezogen, unsere Körper sind schon hart und wir haben schon unseren Umgang gefunden. Jugendliche sind dagegen Expert:innen, weil sie jetzt gerade damit struggeln. Sie erzählen das aus der Jetztperspektive, aus ihrer jetzigen Haltung. Das finde ich wichtig. Ich suche mir auch kein Thema, weil es zu Jugendlichen passt, sondern andersrum. Ich suche mir Jugendliche, weil sie zum Thema passen. Sie sind für mich diejenigen, die mir sehr viel dazu erzählen können. Ich begreife sie als Expert:innen. Und gleichzeitig war ich auch mal in dem Alter und erinnere mich, wie einschneidend manche positiven und negativen Erlebnisse waren und welchen Einfluss sie auf mein heutiges Leben haben.

Inwiefern hat das Thema Prinz*essinnen mit Fett- und Körperfeindlichkeit zu tun?

Auf Prinz*essin bin ich gekommen, weil ich mich vor ein paar Jahren gefragt habe: Warum habe ich eigentlich als Kind nie Disneyfilme angeschaut? Ich schätze, das hatte sehr viele Gründe, aber jetzt, wo ich mich intensiv mit Fettfeindlichkeit beschäftige, glaube ich, dass diese Bilder einfach sehr schmerzhaft für mich waren. Ich wollte logischerweise auch wie der Maincharakter sein, aber mit dem konnte ich mich als dickes Kind nie identifizieren. Und deswegen bin ich immer nach Hause gegangen, wenn bei meinen Freund*innen die VHS in den Rekorder geschoben wurde. In dem Moment, wo du nach Hause gehst, den Film nicht mitguckst und dich isolierst, ist das ein großer Schmerz und das ist exemplarisch für viele Ausschlussmechanismen, die Disney geschaffen hat. Es war mir von Anfang an klar, dass es ein diskursives und politisches Stück sein muss. Ich wollte von Anfang an ein Stück machen, in dem es keine Prinzessin gibt, also keine Form von Reproduktion, weil ich mich da einfach zu wenig auskenne und weil ich das selber auch nicht sehen wollte. Also ich würde nicht gerne Jugendliche im Prinzessinnenkleid und mit Blondhaarperücke sehen. Deswegen habe ich mich dann entschieden, ein Stück zu machen, das sprachlich mit den Merkmalen einer Prinzessin umgeht: schön, süß, sanft und zart sein, immer positiv erscheinen oder sein müssen und wenig bis gar nicht sprechen können oder dürfen.

 

 

Veröffentlicht am 3. April 2024