Wenn die Verbindung abbricht: Liebeskummer und Trennungsschmerz
Prof. Dr. Uwe Gonther, Psychiater, Psychotherapeut und Ärztlicher Direktor des Ameos Klinikums Bremen im Gespräch mit Pressesprecherin Diana König
Am 1. Oktober feiert Poulencs Oper „Die menschliche Stimme / La Voix Humaine“ Premiere. Geschrieben wurde dieses Stück für eine Sopranistin – sie steht allein auf der Bühne, das Publikum lauscht ihrem Telefonat. Am anderen Ende der Leitung ist ihr Geliebter, der sich von ihr getrennt hat, aber ein letztes Band scheint beide noch zusammenzuhalten. Für uns wirft Prof. Dr. Uwe Gonther einen Blick auf Liebeskummer und Trennungsschmerz. Diana König führte das Gespräch mit dem Psychiater und Psychotherapeuten, der Ärztlicher Direktor des Ameos Klinikums Bremen ist.
Wie sich Liebeskummer anfühlt, wissen die meisten Menschen. Was ist Liebeskummer aus ärztlicher Sicht?
Uwe Gonther: Liebeskummer setzt den ganzen Menschen unter Stress, sorgt im Organismus für Schlafstörungen, Bauch- und Rückenschmerzen. Für mich als Psychotherapeuten ist Liebeskummer aber zunächst einmal eine seelische Qualität, im ersten Moment eine Kränkung, ein Abgewiesensein. Beim Verlassenwerden überwiegt das Gefühl des Verlusts, ähnlich wie bei einem Todesfall.
Macht es einen Unterschied, ob man mit 16 oder mit 46 unter Liebeskummer leidet?
Uwe Gonther: Natürlich muss man da immer die Singularität der Person und der Situation sehen. Aber es macht schon einen Unterschied, ob man Erfahrung mit Trennungen hat, dann konnte man eventuell schon Bewältigungsstrategien entwickeln und das hilft.
Muss Trennen immer schmerzen oder gibt es eine gute Art, sich zu trennen?
Uwe Gonther: Das ist das Fachgebiet der Mediatorinnen und Mediatoren. Mir fällt aber immer Hölderlin ein: „Trennen wollten wir uns? Wähnten es gut und klug? / Da wirs taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?“ Ich vermute, es gibt gute Trennungen, aber wenn eine Liebesbeziehung endet, endet immer das gemeinsame Leben, das hat etwas Schreckliches. Und diese Gefühle muss man auch zulassen.
Ist Trennungsschmerz therapiebedürftig? Wann wird er gefährlich?
Zunächst mal nicht, aber er kann sich verfestigen und zum Beispiel in eine Depression führen. Gefährlich ist allerdings auch eine Werther-Haltung: Wer richtig liebt, tötet sich. Das ist eine kulturell vermittelte Erzählung, ein kultureller Fehler, der angeblich die Emotion, das Lieben, aufwertet. Das muss man kritisch hinterfragen: Hat ein Suizid wirklich etwas mit Liebe zu tun? Es ist eine differenzierte Betrachtungsweise in der Berichterstattung und Auseinandersetzung mit dem Thema Suizid wichtig. Ihn als Möglichkeit totzuschweigen, das bringt nichts, damit erreicht man nur eine Heroisierung solcher Taten. Man muss öffentlich diskutieren und klarmachen, was ein Suizid bei den Hinterbliebenen auslöst. Und man muss eine konstruktive Wendung für das Gefühl, den Schmerz finden: Ein Weg, das zu schaffen, ist zum Beispiel, diese Gefühle in Musik oder Sprache zu bringen.
Anlass unseres Gesprächs ist die Premiere der Monooper Die menschliche Stimme / La Voix Humaine von Francis Poulenc nach dem Theaterstück von Jean Cocteau. Sowohl Cocteau als auch Poulenc sollen unter Liebeskummer gelitten haben, als sie sich mit dem Stoff beschäftigten. Diese Auseinandersetzung habe therapeutisch gewirkt, heißt es. Und in der Oper selbst geht es ja auch um das Halten der Verbindung – symbolisch der Telefonverbindung. Gibt es etwas, das loszulassen hilft?
Uwe Gonther: Andere Verbindungen helfen. In der Therapie hilft es auch, den Verlust wirklich zu betrauern. Und man kann durch Achtsamkeitsübungen und Meditationstechniken tatsächlich auch Loslassen üben. In der Oper ist das ja gut zu erleben: dieses ständige Hineinrufen der Frau, ihr ewiges: „Hallo?“ Sie versichert sich, ob die Verbindung noch da ist, ob sie noch gehört wird. Ein Betteln um Resonanz, da kein Dialog mehr möglich ist. Folgerichtig hören wir ja dann auch einen Monolog. Auch das hilft beim Loslassen: die Situation in Worte zu fassen. Gute Worte dafür zu finden.
Wie kann man helfen, sich selbst oder anderen?
Uwe Gonther: Auf jeden Fall muss man das ernstnehmen und zuhören. Verbindung ist das, was hilft: annehmen, anerkennen. Manche Menschen sagen ja, jemand suhle sich im Unglück einer Trennung, des Liebeskummers, aber ich erlebe das so nicht: Das ist dermaßen unangenehm, da will jeder wieder raus. In der Therapie gibt es einen Trick: Auch wenn jemand untröstlich scheint und man ihn trotzdem versucht zu trösten, darf man nicht beleidigt sein, wenn das nicht sofort klappt. Oft wird das von Betroffenen im Rückblick so beschrieben, dass es doch sehr geholfen hat. Mit Ratschlägen sollte man aber eher vorsichtig sein – und lieber eine gemeinsam suchende Haltung einnehmen: Was kann helfen? Da denke ich übrigens, alles, was das Weiterleben ermöglicht, ist auch erstmal gut. Sich ein Haustier anzuschaffen, kann zum Beispiel auch helfen, Tiere sind wahnsinnig gute Tröster. Oder man sucht einen künstlerischen Umgang mit der Situation, mit den Emotionen. Man muss gar nicht mal selbst künstlerisch tätig sein, es hilft oft wirklich schon, so eine Oper wie Die menschliche Stimme / La Voix Humaine im Theater zu erleben.