Wenn Punk und Barock sich treffen
Bei dem Musiktheater-Happening „King Arthur“ verantworten Lutz Rademacher und PC Nackt beide bestimmte Teile der Musik. Die Dramaturginnen Caroline Scheidegger und Elif Zengin haben sie gefragt, wie man so zusammenkommt aus ganz unterschiedlichen musikalischen Richtungen.
Caroline Scheidegger: In der Vorbereitung zu „King Arthur“ habt ihr euch mehrfach getroffen. Uns würde ja wahnsinnig interessieren, was ihr bei den gemeinsamen Sessions in Berlin immer gemacht habt.
Lutz Rademacher: lacht Das ist natürlich total geheim.
PC Nackt: Lutz hat mich besucht, wir haben uns erstmal kennengelernt und versucht zu verstehen, wer wir sind, wo wir herkommen, Lutz mit seinem Verständnis für Purcell und ich mit meinen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Schorsch Kamerun.
Lutz Rademacher: Ich bin ja später dazugekommen. Die Produktion von King Arthur hier am Theater Bremen, die gab‘s ja 2021 schon in einer etwas kürzeren Version draußen auf dem Goetheplatz. Die habe ich mir angehört und für mich gedacht, das ist ja toll, da wäre ich gerne dabei. Und grundsätzlich finde ich, dass Purcells Musik ein ganz fantastisches Material ist für Bearbeitungen aller Art.
Elif Zengin: Warum eignet sich Purcell so gut für solche Projekte?
Lutz Rademacher: Weil die Musik, ähnlich wie die Popmusik oder moderne Unterhaltungsmusik, mit einfachen, relativ überschaubaren, sich oftmals wiederholenden Patterns oder Loops arbeitet. Purcells Musik eignet sich einfach unfassbar gut, um darauf aufzubauen und etwas Neues zu machen.
Elif Zengin: Was sind denn die verbindenden Elemente eurer musikalischen Welten?
PC Nackt: Alles, was wir heute tun, ergibt sich aus dem, was vorher getan wurde. So ganz allgemein, kulturell. So kann ich natürlich in jeder Musik, die vorher war, auch die Dinge entdecken, die ich heute machen möchte. Es war wichtig, dass Lutz und ich connecten, herausfinden, was uns beide verbindet! Von Anfang an war da Lust am Forschen und Spielen. Allein, dass Lutz Barockmusik und Neue Musik liebt, da erkenne ich mich wieder. Ich finde Punk genau so toll wie Schostakowitsch. Das ist, glaube ich, der Boden, auf dem wir so gut klargekommen sind.
Lutz Rademacher: Ja, finde ich auch.
PC Nackt: Bis jetzt! lacht.
Lutz Rademacher: Musiktheater ist ja vieles. „Klassische“ Oper und Neue Musik reizt mich beides. Aber es gibt eben auch etwas dazwischen: diese Bearbeitungen, bei denen ich ein Werk aus dem Kanon nehme und das in einen anderen Kontext stelle und es darauf befrage, ob es uns heute noch was sagt. Und wenn ja, was. Das finde ich unheimlich spannend, weil ich so einen direkten Zeitbezug habe, einen Zugang, der möglicherweise auch politisch ist. Und dadurch, dass ich PC kennengelernt habe, habe ich einen ganz neuen Einblick in andere Arbeitsweisen bekommen. Welche Rolle spielt Elektronik? Welche Rolle spielen analoge Instrumente? Was inspiriert ihn? Der Austausch mit PC ist für mich ein extremer Gewinn.
Caroline Scheidegger: Was sind die Inspirationen bei deiner Arbeit, PC?
PC Nackt: Was mich grundsätzlich an Musik begeistert, ist die nonverbale Kommunikation, die den Intellekt aussparen kann. Ich bin total davon überzeugt, dass Musik dadurch die große menschenverbindende Kraft ist. Darum ist es mir am wichtigsten, dass das, was wir machen, emotional wirklich berührt. Das würde ich immer vor jedes Konzept stellen. Durch die unterschiedlichen Elemente, Orchester und elektronische Musik, sind wir sowieso gezwungen und aufgefordert, verschiedene Methoden zu berücksichtigen. Und da fühle ich mich genau richtig als Schnittstelle. Ich bin wertfrei bereit, in jede Richtung zu denken.
Lutz Rademacher: Ja, das war uns wichtig, dass die musikalischen Welten nicht getrennt voneinander laufen, sondern dass wir die Elemente verschränken. Ich finde es wahnsinnig aufregend, ein Mehrsparten-Projekt zu machen. Es ist natürlich eine riesen Herausforderung für einen Repertoirebetrieb, die beiden Sparten zueinander zu kriegen. Es hat nicht alles nur reibungslos geklappt, das will ich gar nicht sagen. Das Entscheidende ist aber der Spirit, dass alle da Spaß dran haben und das wirklich alle wollen und offen sind und bleiben. Ich hoffe auch, dass es fürs Publikum diesen Mehrwert gibt, dass sowohl Schauspiel- als auch Musiktheaterfans sagen, „aha, da kriege ich mehr fürs Geld, da kriege ich beides“.
PC Nackt: Ich erwarte auch eine gewisse Polarisierung beim Publikum, was ich liebe! Wenn man mit Leuten in Kommunikation tritt, die eben nicht einer Meinung sind, habe ich das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. Dann, glaube ich, besteht die Chance für alle, sich tatsächlich weiter zu entwickeln.
Caroline Scheidegger: Was ich wirklich toll finde an dieser Arbeit, ist wie unglaublich flexibel alles bleibt. Dass man bis zum Schluss immer wieder, auch große Änderungen vornehmen kann, das ist im Musiktheater ja eher selten.
PC Nackt: Ich komme ja nicht mal aus dem Theater, ich komme vom Platten und Konzerte machen. Musik first first first first. Und wenn wir auf Tournee sind, dann wird da immer bis zum letzten Konzert weitergearbeitet. Auch Risiken einzugehen, ist für uns tatsächlich normal. Dieses Bedürfnis, Zustände festhalten zu wollen, ist für mich die größte Herausforderung beim Musiktheater. Ich verstehe das technisch, aber emotional, muss ich zugeben, kann ich das gar nicht nachvollziehen. Für mich ist alles im Fluss.
Veröffentlichung: 26.10.22