Wie möchte man lieben und leben?

Die Sängerin Ulrike Mayer im Gespräch mit der Dramaturgin Brigitte Heusinger über Proben, wenn man trauert, und lieben, wenn man frei sein will.

Brigitte Heusinger: Wie ist es für dich zu proben, während das ganze Haus um seinen verstorbenen Intendanten Michael Börgerding trauert?

Ulrike Mayer: Es ist schwer. Ich verdanke ihm sehr viel. Wenn ich morgens mit meinem Fahrrad an der Kasse vorbeikomme und sein Foto sehe, zieht es mir erstmal den Boden unter den Füßen weg und die Trauer stülpt sich über mich. Und es ist umso schwerer, weil wir mit Béatrice und Bénédict ein kurzweiliges, ein lustiges Stück proben, ein feines Amuse-Gueule über die Liebe und ihre Irrungen und Verwirrungen. Was dann hilft, sind die vielen Gespräche, die wir untereinander über Michael Börgerding führen, bei denen es völlig in Ordnung ist, wenn geweint wird. So ist er irgendwie immer noch dabei. Die Trauer bringt eine Verunsicherung mit, aber durch Michael spüre ich eine große Verbundenheit miteinander.

Ja, quer durch alle Gewerke, quer durch alle Sparten. Béatrice und Bénédict ist eine Produktion, an der Schauspieler:innen wie Sänger:innen beteiligt sind. 

Man merkt die starke Bindung, die gerade das Schauspielensemble zu Michael Börgerding hatte. Aber es ist sowieso immer schön, mit Kolleg:innen aus dem Schauspiel oder aus dem Tanz zusammenzuarbeiten.

Die beiden Titelfiguren werden gedoppelt, also deine Rolle der Béatrice mit der Schauspielerin Mirjam Rast und Oliver Sewells Bénédict mit dem Schauspieler Christian Freund. Das Stück ist eine Mixtur aus einem Schauspiel und einer Musiktheaterproduktion, und der Textanteil ist sehr hoch. So singen die Sänger:innen und die Schauspieler:innen sprechen.

Anfänglich war ich fast ein wenig irritiert, weil ich durch meine Mitwirkung in Operetten und Musicals nun doch schon einige Sprechrollen hinter mir habe. Aber meine Zweifel wurden schnell ausgeräumt. Der Ansatz der Regisseurin Susanne Lietzow ist ein durch und durch spielerischer. Durch die Verdoppelung des Titelpaares haben wir noch viel mehr Möglichkeiten, diesem fröhlichen Stück sowohl tiefere, ernstere als auch lustige und skurrile Dimensionen zu verleihen. Manchmal verschmelzen Mirjam und ich als Figur, dann aber zeigen wir unsere verschiedenen Gesichter, unsere widerstreitenden Emotionen und dass sich im gleichen Moment so viel Verschiedenes fühlen lässt: „Ich liebe ihn, ich hasse ihn, ich ärgere mich, ich habe Sehnsüchte, ich möchte allein sein“.

Der Textanteil ist eine Uraufführung. Die junge, österreichische Autorin Nina Maria Metzger hat das Libretto von Komponist Berlioz, das auf Shakespeares Viel Lärm um nichts fußt, überschrieben.

Die Sprache ist sehr zeitgemäß, ohne sich anzubiedern. Der Text funktioniert direkt wie in einer Klippklapp-Komödie. Ich provoziere mit einem Satz, mein Gegenüber antwortet sofort. Diese schnellen Schlagabtausche sind kurzweilig und witzig und aus dem Leben gegriffen, gehen aber im shakespeare’schen Sinne genauso lustvoll mit dem Thema Liebe um und zeigen den Menschen in seiner ganzen Widersprüchlichkeit. Und dann gibt es die Musik, die Inseln der Ruhe schafft, in denen sich die Emotionen reflektieren lassen. Und so ist kein Singspiel entstanden, also ein Schauspiel, in dem sich musikalische Nummern finden, sondern die beiden Ebenen, der Text und die Musik, sind absolut gleichwertig.

Die Musik ist gesangstechnisch anspruchsvoll.

Meine Partie kann auch von einem Sopran gesungen werden und liegt deswegen sehr hoch. Und die Nummern sind lang, man muss sie gut einteilen, damit man sich nicht zwischendurch verliert.

Und sie sind durchaus virtuos.

Das ist doch schön. Wir sind Opernsänger:innen und haben Jahre dafür studiert. Wir wollen das zeigen, was wir können.

Euer Bühnenbild ist herrlich knallbunt. Was ist das für eine Welt?

Es ist ein Garten, ein leicht künstlicher Paradiesgarten. Bevor ich auftrete, schaue ich immer auf den Bühnenmonitor. Auf ihm sieht unsere Bühne wie ein knalliges Wimmelbild aus, in dem Menschen mit verschiedenen Liebeskonzepten rumwuseln: die einen, die ihre Vorstellung von der romantischen Liebe leben möchten und die anderen, die sich dem gesellschaftlichen Druck zu heiraten, verweigern. Denn darum geht es: Wie möchte man lieben und leben? Und wenn ich mich in meinem Umfeld und in meinem Inneren so umschaue, dann bekomme ich den Eindruck, dass auch nach 400 Jahren der gleiche immerwährende Kampf um Bindung und Autonomie in der Liebe und in Partnerschaften wie zu Shakespeares Zeiten herrscht.