Wir sollten die Liebe verteidigen!

In Words don’t come easy sprechen die Theaterleute Josef Zschornack und Diana König mit Expert:innen und Kolleg:innen über die Liebe und wie sie auf die Bühne kommt. Ein Text von Diana König.

Die Liebe sei bedroht, zum einen durch das starke Bedürfnis sich abzusichern, zum anderen, in dem man ihr die Bedeutung abspricht, schreibt Alain Badiou in dem kleinen Heft Lob der Liebe. Das zeichnet das Gespräch von Nicolas Truong und Badiou beim Festival von Avignon nach und hat mich sehr berührt. Es fehle an Risikobereitschaft, um sich auf die Liebe einzulassen, ein „Sicherheitsdenken“ verhindere die tiefe Erfahrung des anderen. Ebenfalls bedroht sei die Liebe durch den Hedonismus, der sie nur als Sahnehäubchen auf dem auch ohne sie gelingenden Leben betrachtet: Die Liebe ist nicht mehr wichtig, sondern nur noch eine Form des Genießens.

Philosoph:innen müssten Künstler:innen, Gelehrte, Aktivist:innen und Liebende sein.

Und die Liebe sollte existentiell sein. Alles wagen. Doch: Was erwarten wir heute von der Liebe? Words don’t come easy. Gespräche über die Liebe heißt die Reihe, die ich mit meinem Kollegen Josef Zschornack gerade an vier Vorstellungen im Theater am Goetheplatz geknüpft habe. Auch wir wollen uns stark machen für die Liebe – und sie in all ihren Facetten betrachten. Zwei Termine sind schon vorbei – wir sprachen mit der Regisseurin Alize Zandwijk und dem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Jost Herbig anlässlich von La Bohème darüber, ob es Liebe auf den ersten Blick gibt und ob die Liebe unter Armut und Krankheit leidet. Ich fand es sehr schön und ermutigend, wie beide unsere Gesprächspartner:innen am Sich-Verlieben festgehalten haben, sich stark gemacht haben für das Paar auf der Bühne.

In guten und in schlechten Zeiten

Mit dem Autor David Safier und dem Dramaturgen Johannes Schürmann haben wir einen Monat später zur Schauspiel-Produktion Solange wir leben über eine Liebe, die ein Leben lang hält, nachgedacht. Die unterschiedlichen Perspektiven von Sohn und Autor – denn Safier erzählt in seinem Roman die Geschichte seiner Eltern, seiner Familie – und die der Theatermacher war spannend: Worüber denken wir nach, wenn wir Leid auf der Bühne darstellen? Was hält uns zusammen, was trägt uns über die Jahre? Und wie beispielhaft ist das für die Menschen, die diese Treue, aber auch Selbstaufgabe erleben. Um zu Badiou zurückzukommen: Wie viel muss man geben, um richtig zu lieben? Und liebe ich hier eigentlich die richtige Person?

Gibt es das perfekte Match?

Badiou sagt ganz klar, dass viele Menschen, die in Dating-Apps und Partnervermittlungen nach der/dem Richtigen suchen, zu sehr auf Risikominimierung setzten. So entsteht der Eindruck, man könne durch die Auswahl von Charaktereigenschaften, Hobbies, Übereinstimmungen in der Lebensplanung die Gefahr umgehen, verletzt, verlassen, enttäuscht zu werden. So als gäbe es eine Person, die so gut passt, dass nichts passieren kann.  Damit wird die Liebe zu einem Zusatz im Leben. Sie verliert alles Wesentliche, sie verliert die Dimension, des sich im anderen anders erleben, des Erfahrens von Andersheit überhaupt. Es gibt keine Bedingungslosigkeit, kein Fallenlassen in eine Erfahrung. Denn Fallenlassen macht natürlich Angst.

Fängt mich jemand auf?

Wenn ich aber den sicheren Weg gehe, mich also dafür entscheide, eine gute Wahl zu treffen, der anderen Person einen Platz in meinem Leben zuzugestehen, der mein Leben, meinen Lebensentwurf nicht gefährdet, ihn nicht existentiell bedrohen kann, dann nehme ich der Liebe die Tiefe. Als ob die Person, als ob meine Liebe, nur das Sahnehäubchen auf dem auch ohne sie gelingenden Leben sei. Wenn es nicht klappt, ist es nicht schlimm. Aber können und wollen wir so lieben? Sollte an der anderen Person nicht alles hängen? Unser Lebensentwurf, unser Glück? Möchten Sie gern von Ihrem Partnermenschen hören, es ginge auch ohne dich, wäre nur etwas weniger schön? Ich nicht. Das kann ich ganz klar sagen. Trotzdem kenne ich die Angst: Was passiert, wenn der andere nicht mehr da ist? Mich verlässt oder es passiert ihm etwas? Dann will ich ja weiterleben, wieder glücklich werden, irgendwann.

Was können wir also verlangen von der Liebe?

Unter anderem über diese Frage sprechen wir Ende April im dritten Teil von Words don’t come easy  zu Béatrice et Bénédict mit Dagmar Borchers, Professorin für Angewandte Philosophie an der Universität Bremen und der Sängerin Ulrike Mayer. Im letzten Teil unserer kleinen Reihe, Anfang Juni, wenden wir uns dann konsequent dem Ende der Liebe zu – also dann, wenn wir uns gerade alle gegenseitig davon überzeugt haben, dass die Liebe verteidigt, gelebt und gefeiert werden muss. Das könnte wehtun – aber im Theater können wir mit Emotionen ja umgehen … „Verlebt. Verlassen. Verloren“ ist der Titel der letzten Ausgabe Anfang Juni, der vor unserer Musiktheater-Uraufführung Wellen stattfindet. Komponiert hat sie Elmar Lampson, das Libretto stammt von Julia Spinola nach dem Roman Eduard von Keyserling. Dort haben sich zwei gefunden, finden aber nicht zum Glück. Zu groß sind die gesellschaftlichen Vorurteile, zu schwer die Schuldgefühle. Können wir also lieben –sogar gegenseitig – und doch ist nicht alles gut? Und doch finden wir nicht zusammen? Mit auf dem Podium sitzt dann unter anderem der Psychotherapeut und Facharzt für Psychiatrie Hans Haack.

Veröffentlicht am 17. April 2025