Wir werden Hyojong vermissen …
Dramaturgin Brigitte Heusinger sprach mit dem Sänger Hyojong Kim während der Proben zu „Il barbiere di Siviglia“.
Bei den Proben zur Wiederaufnahme Il barbiere di Siviglia herrscht gute Laune. Sie werfen sich die Bälle zu: Patrick Zielke als engstirniger Bartolo, Nerita Pokvytytė als begehrenswerte Rosina, Elias Gyungseok Han als quirliger Figaro, Stephen Clark als intriganter Basilio, Nathalie Mittelbach als devote Berta, Guido Gallmann als hintersinniger Erzähler und eben Hyojong Kim als verliebter Graf Almaviva. „Wir lachen die ganze Zeit“, berichtet Vivien Hohnholz, die die Wiederaufnahme leitet und schon in der Entstehungsphase vor sechs Jahren als Regieassistentin dabei war. Dabei sei die Produktion für die Darsteller:innen „höllisch anstrengend“, „höchste Konzentration sei gefragt, denn „jeder kleine Fehler zieht einen anderen nach sich.“ Vivien Hohnholz hat die Inszenierung immer noch im Kopf und alles, was ihr Kopf und die Videoaufzeichnung, die damals gemacht wurde, nicht mehr wissen, das weiß Hyojong Kim, sagt sie. Und sie sagt, dass er auf seine freundlich ruhige Art dann doch schon bestimmend sein könne, wenn er darauf hinweisen muss, dass die Choreographie damals etwas anders war.
Er hat es eben noch drauf und spielt virtuos auf der Klaviatur des Gelernten und der Vorstellungen, die in dieser Partie hinter ihm liegen.
Souverän kann er neue Aspekte, Kommentare einbauen, auf die Kolleg:innen reagieren. Denn gutes Spiel ist auch immer gutes Zusammenspiel. Das kann man von Hyojong Kim lernen. Die Gestaltung seiner Rolle ist gewachsen – stimmlich wie szenisch. Bei ihm, bei den Kolleg:innen. Jetzt kann sie also laufen, die Komödie.
Hyojong Kim singt die Rolle des Grafen Almaviva, er singt die Tenorpartie in dem Musiktheater-Happening King Arthur von Schorsch Kamerun.
Und das war es dann am Theater Bremen.
Es gibt nur super Sänger:innen im Theater Bremen, aber alle diese Supersänger:innen würden zustimmen, dass Hyojong Kim ein super-super Sänger ist. Und alle weinen bittere Tränen, dass er Bremen verlässt, um nach zehn Jahren nach Hause zu gehen, nach Korea, wo seine Familie inzwischen wieder wohnt: seine Frau und seine zwei Kinder. Die Corona-Zeit war eine zu harte Prüfung für die Familie, das fehlende soziale Leben, die soziale Isolation.
Er selber ist wehmütig, Bremen war seine zweite Heimat.
Zuletzt wohnte die Familie in der Überseestadt. Jeden Tag ist er mit seinem Fahrrad die Weser entlang gefahren. Die Weser wird er vermissen und vermissen wird er viele Kolleginnen und Kollegen, mit denen er auf der Bühne stand als Duca in Rigoletto, als Edgardo in Lucia di Lammermoor, Tom Rakewell in Rake’s Progress, Belmonte in Mozarts Die Entführung aus dem Serail, Lindoro in L’italiana in Algeri, als Beppo in Pagliacci und als Tamino in Die Zauberflöte, um jetzt mal nur die letzten Partien zu nennen, die er in seinen zehn Bremer Jahren gesungen hat.
Und doch ist die Partie, in der er jetzt wieder zu sehen ist, eine der schönsten, findet er.
Damals bei der Premiere regnete nach seiner zweiten Arie ein warmer Applaus auf ihn nieder. An den erinnert er sich gerne. Insgesamt ist er ein Sänger, bei dem einem das „Bravo“ leicht über die Lippen geht. Gerade bei Partien wie der des Almaviva. Hyojong Kim ist eben ein typischer Rossini-Tenor mit einer mühelosen, leichten, brillanten, beweglichen Stimme, die er natürlich täglich trainieren muss wie ein Instrument. Fleiß ist ihm eigen, auch wenn er sich gut daran erinnert, mal geschummelt zu haben. Bei Vorproben zu Die Meistersinger von Nürnberg bat Generalmusikdirektor Markus Poschner ihn damals lauter zu singen, richtig auszusingen, wie es im Musiktheater heißt. Aber er hatte weder Text noch Noten richtig drauf. Jedenfalls führte das dazu, dass er den nachfolgenden Sommer mit einem Wörterbuch verbrachte und jedes Wagner`sche Wort nachschlug, oft ohne Erfolg, denn nicht jedes altdeutsch gedichtete Wort ließ sich finden. Eine weitere Erinnerung verbindet ihn ebenfalls mit dem ehemaligen GMD, bei dessen Abschiedskonzert Hyojong Kim mit dem Song „Kiss“ als Popikone Prince aufgetreten ist. Humor hat er, und komische Figuren sind ihm sowieso das Liebste. Wer seine Seriosität, seine hohe Probenmoral und Professionalität kennt, kann kaum glauben, wie viel Schalk in ihm steckt, wie viel hintersinniger Witz, wie viel Komik er entwickeln kann. Wir werden Hyojong vermissen und hoffen klammheimlich, dass er dann doch mal wiederkommt – als Gast. Das würden wir uns wünschen.
Veröffentlichung: 10.10.22