20 Jahre Sand im Getriebe
Die Jungen Akteur:innen werden 20 Jahre alt! Zum Jubiläum hat der Kulturjournalist Andreas Schnell ein Gespräch mit den beiden Leiterinnen Christiane Renziehausen und Nathalie Forstman geführt.
Andreas Schnell: Nathalie und Christiane, ihr arbeitet jetzt schon sehr lange zusammen. Wie hat sich die Arbeit der Jungen Akteur:innen mit den Jahren verändert?
Nathalie Forstman: Ich glaube, dass die Projekte, die wir gemacht haben, für ihre Zeit immer ziemlich progressiv waren und es uns immer ein Anliegen war, sorgfältig mit den uns anvertrauten Jugendlichen zu arbeiten, aber auch sorgfältig und gründlich mit Themen zu sein und trotzdem auch immer zu überlegen, wo man ein bisschen Sand ins Getriebe werfen kann.
Michael Börgerding hat die Jungen Akteur:innen, die zunächst im Theaterkontor in der Schildstraße angesiedelt waren, 2012 ins Brauhaus am Theater Bremen geholt. Was hat sich dadurch für verändert?
Christiane Renziehausen: Ganz viel, finde ich, weil die Jungen Akteur:innen sich viel mehr als Teil des Theater Bremen sehen, aber auch gesehen werden. Vorher haben wir vor den Vorstellungen immer die Ansage gemacht, dass wir zum Theater Bremen gehören. Das ist jetzt selbstverständlich. Ich habe das Gefühl, die Jungen Akteur:innen sind heute überall, sie erobern sich das Theater.
Eure Arbeiten sind oft sehr politisch, implizit oder explizit.
Nathalie Forstman: Es ist auf jeden Fall unser Anliegen, dass wir Themen verhandeln, die einerseits die Jugendlichen und uns interessieren, die uns auch berühren. Aber wir wollen die Bühne auch für Stimmen nutzen, die gehört werden sollten. Und ich glaube, da ist es wichtig zu überlegen, in welcher Zeit wir uns gerade befinden und wie wir Theater machen können, das berührt und politisch aktuell ist, und gleichzeitig im Blick zu haben, für wen wir Theater machen. Wenn wir auf Inszenierungen von vor zehn Jahren zurückblicken, kann man schon sagen, dass wir nicht so gut im Blick hatten, dass wir nicht nur für ein weißes, heteronormatives Publikum und Familien hier spielen, sondern dass wir uns eigentlich wünschen, dass dieses Theater ein Ort ist, wo sich möglichst viele Menschen gesehen und vertreten fühlen und deren Perspektiven Platz haben. Ich würde zum Beispiel Grüne Vögel heute nicht mehr mit einem rein weißen Team auf die Bühne bringen. Da ging es um die Radikalisierung von Jugendlichen in Bezug auf Islamismus.
Wie setzt ihr das um, dass ihr eine größere Diversität in den jeweiligen Ensembles habt?
Christiane Renziehausen: Wir haben schon vor 13 Jahren damit angefangen, dass wir uns gefragt haben, wie wir Jugendliche erreichen, die nicht über unsere Publikationen zu uns gelangen oder die einfach von uns nichts mitkriegen, und haben dann angefangen, in Stadtteilen Projekte zu initiieren. Darüber ist das gewachsen. Es gibt viele unterschiedliche Formate, die Jugendliche ins Haus holen, auch über die Schule. Backstage ist zum Beispiel ein Format, das die Abteilung Theater und Schule initiiert, bei dem Schulklassen einmal im Jahr ans Theater kommen und das Theater kennenlernen. Wir sind sehr bemüht darum, Anlässe zu schaffen, zu denen Jugendliche Theatererfahrungen sammeln, die sie neugierig machen, zu uns zu kommen.
Wie findet ihr die Themen für eure Stücke? Bietet ihr etwas Konkretes an? Oder fragt ihr, worauf die Jugendlichen Lust haben?
Nathalie Forstman: Wir sind die ganze Zeit mit Jugendlichen zusammen, deswegen kriegen wir natürlich mit, was sie bewegt und interessiert. Und in den Theaterwerkstätten ist es so, dass es sehr frei ist, womit man sich beschäftigt. In den größeren Produktionen ist es schon so, dass wir etwas vorschlagen. Da muss es ja relativ früh schon klar sein, wohin es gehen soll. Und dann lassen wir uns natürlich inspirieren von dem, was wir mitkriegen, von den Jugendlichen. Aber letzten Endes ist es schon so, dass wir oder die Regie-Teams einen Vorschlag machen. Innerhalb dieses Themas gibt es aber viel Gestaltungsspielraum, und es ist uns super wichtig, dass alle unsere Arbeiten eigentlich Co-Kreationen sind mit dem Ensemble, das auf der Bühne steht.
Christiane Renziehausen: Es gibt auch immer den Wunsch nach Klassikern. Dem sind wir mit dem Hamlet jetzt mal nachgekommen.
Könnt ihr sagen, wie viele Jugendliche bei euch Theater gemacht haben?
Christiane Renziehausen: In den letzten zehn Jahren waren es auf jeden Fall immer zwischen 150 bis 200 Jugendliche pro Spielzeit, die bei uns aktiv waren, außer in der Coronazeit.
Wie viele von ihnen bleiben länger?
Nathalie Forstman: Ungefähr die Hälfte kommt immer wieder. Wir haben viele, die lange Jahre bei uns sind. Manche haben mit acht Jahren angefangen und sind bis 21 geblieben und immer noch mit uns verbunden.
Gibt es viele, die sich später professionalisiert haben?
Nathalie Forstman: Es geht uns überhaupt nicht darum, Schauspieler:innen oder Regisseur:innen auszubilden, aber es sind schon einige. Jorid Lukaczik zum Beispiel, jetzt im Schauspielensemble ist, war bei den Jungen Akteur:innen. Cennet Rüya Voß war am Düsseldorfer Schauspielhaus und hat zuletzt in Bremen in Royals gespielt. Dana Herfurth ist im Film erfolgreich. Die meisten, die sich professionalisiert haben, sind immer noch eng mit uns verbunden.
Veröffentlicht am 2. Mai 2025.