Zwischen Akten und Impfen

Wenn Theatermitarbeiter*innen während des Lockdowns woanders arbeiten: Pressesprecherin Diana König hat mit drei Kolleg*innen gesprochen.

Seit Ende Oktober sind die Türen des Theater Bremen für das Publikum geschlossen. Zwischenzeitlich wurde geprobt, doch zwischen Mitte Dezember und Februar war kaum jemand auf den Probebühnen, in den Werkstätten oder im Büro. Was die Mitarbeiter*innen in dieser Zeit gemacht haben? Während im ersten Lockdown fleißig von vielen Freiwilligen Masken genäht wurden, haben sich im zweiten manche von uns woanders engagiert: drei Beispiele dafür sind Susanne Schrader (Schauspielerin), Jörg Landsberg (Theaterfotograf) und Tim Wedell (FSJler in der Pressestelle).

Der Drucker summt, der Aktenstapel ist hoch, die Kästchen sind klein und Sorgfalt ist gefragt.

Kein Häkchen darf fehlen, kein Feld unausgefüllt bleiben, kein Blatt verloren gehen: Als der Senator für Kultur das Stipendienprogramm für freischaffende, professionell arbeitende Künstler*innen aller Sparten mit Erstwohnsitz im Land Bremen im November 2020 ermöglichte, gingen sehr viele Anträge in sehr kurzer Zeit ein. Die Förderungen sollten schließlich die für viele existentiell bedrohliche Lage durch entfallene Aufträge und Gagen abfedern, denn vom Lockdown war auch die Kunst betroffen und alle nicht festangestellten Kolleg*innen hatten mit Verdienstausfällen zu kämpfen. Schnell wurde klar: Die Behörde braucht Hilfe bei der Bearbeitung. Susanne Schrader und Jörg Landsberg sind zwei der Helfer*innen: „Wir haben die Anträge formal bearbeitet, also nicht über sie entschieden, sondern sie durchgesehen, geschaut, ob alle benötigten Angaben und Unterlagen dabei sind und sie dann an das zuständige Fachreferat weitergeleitet“, beschreibt Schrader ihre Aufgaben, „ich finde es dabei total super, so einen Einblick in eine ganz andere Realität zu bekommen. Und man macht etwas objektiv Sinnvolles. Theater ist ja auch sinnvoll, wenn ich aber jemandem eine Mail schicke, und mitteile, dass er ein Stipendium bekommen hat und ihm das die nächsten Monate rettet, ist das irgendwie nochmal anders.“

„Ich finde es genau richtig und wirklich toll, dass es diese Stipendien gibt.“

Das findet auch Jörg Landsberg: „Man sieht bei der Arbeit erstmal, wie breit die Bremer Freie Szene aufgestellt ist, wie viele tolle Projekte es da gibt, wie viele interessante Zusammenarbeiten stattfinden und was es für tolle Ideen gibt.“ Doch der Weg vom Fotografen zum Sachbearbeiter birgt auch Hürden, beschreibt Landsberg weiter: „Das ist natürlich unheimlich trocken, du klickst dich von Feld zu Feld und musst alles in der richtigen Reihenfolge einsortieren ...“ Die Fördersumme beträgt pro Antrag 7.000 Euro, seit November gingen rund 800 Anträge beim Senator für Kultur ein. „So lange es geht, werde ich das machen“, meint Susanne Schrader, „ich bin mir schon dessen bewusst, dass ich als festangestellte Schauspielerin in einer privilegierten Position bin.“

„Ich habe in der Zeit verstanden, warum Menschen Medizin studieren.“

Tim Wedell macht in dieser Spielzeit eigentlich ein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur in der Pressestelle des Theaters, doch im Lockdown mit Homeoffice gab es da nicht so viel zu erleben. Deswegen arbeitete er als Verwaltungshelfer im Impfzentrum Bremen: „Die Verwaltungshelfer sind die, die alles so vorbereiten, dass das dann flutscht, weil die Ärzt*innen und Impfbefähigten die wichtigen Sachen machen“, bringt er seine Tätigkeit auf den Punkt. Zuständig ist er damit für „ziemlich viel Papierkram“ und die Organisation der Abläufe vor und nach dem Impfen: „Ich habe in der Zeit verstanden, warum Menschen Medizin studieren: Du kommst nach Hause, bist sicher müde, aber du hast immer das Gefühl, du hast Menschen etwas Gutes getan. Gleichzeitig habe ich aber auch festgestellt, dass mich dieses Theaterding mehr angesprochen hat, als ich anfangs erwartet habe – je länger ich im Impfzentrum arbeitete, je größer ist die Sehnsucht zum Theater geworden …“

Also doch Literaturwissenschaft und Dramaturgie …

Natürlich hatte er sich sein FSJ anders vorgestellt: mit vielen Proben- und Vorstellungsbesuchen, Pressekonferenzen und Premieren. Aber während des Lockdowns nichts zu tun, war nicht das Richtige, fühlte sich nicht gut an. Seine Arbeit im Impfzentrum veränderte das Gefühl, in dieser Pandemie festzustecken: „Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass es gar keine Veränderung gibt“, erzählt Tim Wedell, der ja auch schon unter Coronabedingungen sein Abitur gemacht und „gefeiert“ hat, „aber durch die Arbeit im Impfzentrum habe ich gemerkt, dass es vorwärts geht und die Pandemie auch irgendwann zu Ende sein wird.“ Ein gutes Gefühl.