Zwischen Altgriechisch & Contemporary Dance
Tänzer Aaron Samuel Davis, seit Beginn der Spielzeit 2019 fest bei Unusual Symptoms, bekommt den Förderpreis für darstellende Künste der Stadt Düsseldorf verliehen. Ein Interview mit Pressesprecherin Diana König.
Aaron, am 4. Dezember 2019 bekommst du den Förderpreis für darstellende Künste verliehen. Herzlichen Glückwunsch erstmal! Was bedeutet die Auszeichnung für dich?
Aaron Samuel Davis: Das ist eine große Ehre, weil es heißt, dass man mich wahrgenommen hat in meiner Arbeit und mein Potential als Künstler sieht. Außerdem bedeutet es mir viel, wenn ich überlege, wer diesen Preis schon vor mir bekommen hat. Ben J. Riepe etwa, ohne den ich in NRW nicht auf der Bühne gestanden hätte, oder Samir Akika zum Beispiel, mit dem ich jetzt gerade auch wieder zusammen arbeite bei Young dogs do cry sometimes. Dass es ausgerechnet die Stadt Düsseldorf ist, die mir einen Preis verleiht, ist auch ein gutes Gefühl: Ich habe da ja an der Kunstakademie gearbeitet, aber auch in vielen anderen Projekten, wie zum Beispiel bei dem gemeinnützigen Verein Kabawil mit Framewalk, das ist ein kulturelles Austauschprogramm zwischen deutschen, südafrikanischen, ghanaischen und namibischen Studierenden. Der Fokus unserer Arbeit lag darauf, bestimmte Themenfelder zu erkunden: Privatheit, Konflikt, Besitz – und das alles durch Tanz, Theater und Musik. Nominiert hat mich das tanzhaus nrw, an dem ich auch gearbeitet habe. Und natürlich ist der Preis auch finanziell ein Segen, das ermöglicht jemandem wie mir dann, an eigenen Projekten arbeiten zu können. Als Künstler ist man ja oft in der Position, dass man ein tolles Projekt hat, aber kein Geld. Natürlich habe ich Freund*innen, die, weil sich mich lieben und überzeugt sind von meinen Ideen, umsonst mit mir arbeiten würden, aber ich möchte das nicht. Dann muss ich meine Projekte oft aufschieben.
Gibt es momentan ein bestimmtes Projekt, in das du das Preisgeld investieren willst?
Aaron Samuel Davis: Ja, ich habe ein eigenes Projekt im Sommer 2020, eine dance residency am Teatri Associati di Napoli, der Arbeitstitel ist Until Your Heart Stops / Glitter in Their Eyes, die kann ich damit jetzt finanzieren. Until Your Heart Stops ist ein Stück von dem deutschen Komponisten Felix-Florian Tödtloff. Den habe ich auf der Straße in Düsseldorf getroffen, nachdem ich unglücklicherweise gerade vorher sein Konzert verpasst habe. Glücklicherweise haben wir uns dann auf der Straße kurz unterhalten und er erzählte von seinen Plänen, nach Ghana und in den Senegal zu reisen. Wir blieben in Kontakt. Zwei Wochen später hat er hier in Bremen in der Schwankhalle gespielt und wir haben uns entschieden, zusammenzuarbeiten. Ich schätze seine Arbeit sehr, weil sie mich zu Tränen rührt. Darüber hinaus beschäftigt sich Until Your Heart Stops / Glitter in Their Eyes mit der US-amerikanischen Singer-/Songwriterin Patti Smith und den unbekannteren Werken des norwegischen Malers Edvard Munch. Das Projekt ist ein Dialog zwischen Tanz, Theater, Film, Musik, Design und Kunstinstallationen.
Du gehörst seit dieser Spielzeit fest zur Theater Bremen Kompanie Unusual Symptoms, zum ersten Mal hast du hier in Máté Mészáros‘ Arbeit Spektrum auf der Bühne gestanden.
Aaron Samuel Davis: Das ist nicht ganz richtig, ich stand auch schon in Coexist und Will happiness find me? auf der Bühne. Spektrum ist die erste Arbeit, die ich hier zur Premiere gebracht habe und nicht nur einen bereits bestehenden Part übernommen habe. Hier konnte ich mich selbst künstlerisch in den Entstehungsprozess einbringen. Die Bewegung kam direkt aus meinem Körper.
Die Choreografie für Spektrum hat Máté Mészáros gemacht. Im Zentrum stand dabei die Frage nach der Bewegung, richtig?
Aaron Samuel Davis: Máté hat viel darüber gesprochen, dass Bewegungen einen Abdruck hinterlassen. Bei der Szene, in der ich auf der Bühne stehe und meinen Kopf so schwenke, dass meine Haare fliegen, ist es die Wiederholung, die die Bewegung so beständig werden lässt, dass sie einen Abdruck meines Körpers im Raum erzeugt, der dann hoffentlich das Publikum erreicht. Inspirierend ist natürlich auch das multimediale Zusammenspiel von Musik, Tanz und Videoprojektionen. Máté war sehr an der Körperlichkeit interessiert. So habe ich versucht, sehr physisch zu sein, es ging viel um Wiederholung, darum, außer Atem zu geraten, den Körper zu fühlen. Es ist eine kleine Etüde geworden, wie in der Musik, eine Studie.
Studiert hast du ja ziemlich viel. Du hast einen Master of Fine Arts in Choreografie und Performance an der Tisch School of the Arts in New York gemacht, davor warst du an der Folkwang Universität der Künste in Essen und davor hast du Latein und Altgriechisch sowie Postmodern & Contemporary Dance am Connecticut College studiert. Das ist jetzt irgendwie eine lustige Mischung.
Aaron Samuel Davis: Ja, als ich gesagt habe, dass ich Altgriechisch und Latein studieren will, haben alle gesagt: „Warum, was willst du damit? Du kannst nichts machen, das sind tote Sprachen.“ Aber ich habe wirklich eine Leidenschaft für das Übersetzen aus diesen Sprachen. Es ist wie ein Puzzle, ein Spiel: Welches Wort ist auf welches andere bezogen? Dann hast du einen Satz und musst ihn in das Gefüge des Abschnitts einpassen. Es ist wie eine Choreografie. Abgesehen davon, okay, die meisten Autoren waren alte weiße Männer, die Zeiten waren damals anders, aber eigentlich waren es alte weiße Rassisten – aber sie waren so eloquent und so poetisch. Ich würde so gern auch mal aufstehen und so eine Rede halten. Eine Rede an die Nation. Das haben die damals gemacht. Vielleicht kann ich das ja mal auf der Bühne machen.
Hast du denn während des Studiums überlegt, ob du damit arbeiten möchtest oder war schon immer klar, dass du Tänzer und Performer werden willst?
Aaron Samuel Davis: Nein, ich wollte immer Anwalt werden. Meine große Schwester, ihr Name ist Tiana Victoria Hercules, ist Anwältin. Sie war mein ganzes Leben lang mein Vorbild. Sie ist zehn Jahre älter und ich habe ihr alles nachgemacht. Entscheidend war dann aber, dass sie auf eine staatliche Schule gegangen ist, bei der das Geld für viele Sachen fehlte, und ich auf eine private, an der Tanz und Musik und Kunst unterrichtet wurde. Und da habe ich dann gemerkt, dass es noch viele andere Sachen gibt.
Wie ist die Arbeit jetzt hier in Bremen am Theater als Teil der Unusual Symptoms?
Aaron Samuel Davis: Ich merke, dass ich als Künstler und Performer wachse, dass ich inspiriert werde durch meine Kolleg*innen. Gleichzeitig will ich auch an meinen alten Beziehungen, die ich zum Beispiel zu Künstler*innen in Düsseldorf oder New York habe, festhalten und sie ausbauen. Durch Formate wie PBTanz oder Vier Tage Tanz ist das hier möglich. Das ist das Gute: Die Kompanie hat auf der einen Seite Struktur, bietet auf der anderen aber auch viele Möglichkeiten.