Zwischen Wildapfel und Himbeere
Frank Sonnemann ist nicht nur der Technische Direktor des Theater Bremen, er ist auch passionierter Naturschützer und Vogelbeobachter. Er verantwortet die Begrünung der Zuschauertribüne auf dem Goetheplatz. Pressesprecherin Diana König hat mit ihm ins Beet geguckt.
Es tut sich einiges auf dem Goetheplatz, in den vergangenen Wochen ist hier eine Zuschauertribüne mit rund 200 Plätzen entstanden, von da aus kann man super das Geschehen bei Common Ground verfolgen.
Frank Sonnemann: Ja, das war echtes Upcyling. Wir haben das aus abgespielten Bühnenbildern gebaut, da stecken „Woyzeck“, „Ronja Räubertochter“ und „Der gute Mensch von Sezuan“ drin.
Hinter den Sitzen wurde in den letzten Tagen ein großes Beet angelegt. Gestern ist die Erde gekommen, das sind ungefähr 25 Kubikmeter. Wie viele Bäume haben darin Platz?
Frank Sonnemann: Drei Stück, ein Wildapfelbaum, eine Eberesche und eine Vogelkirsche.
Drei Bäume allein, das wäre ein bisschen kahl. Was kommt dazu?
Frank Sonnemann: Dazu haben wir Wildsträucher: Kornelkirsche, Kirschpflaume, Hartriegel, Holunder, Haselnuss und Felsenbirne. Neben der Zuschauertribüne steht noch ein kleines Haus für die Kolleg:innen vom Ton und vom Licht. Dessen Dach begrünen wir mit Sedum-Arten, die brauchen wenig Wasser.
Die Sträucher haben ja teilweise ganz poetische Namen – das war aber wahrscheinlich nicht der Grund dafür, dass du sie ausgesucht hast, oder?
Frank Sonnemann: Nein, ich habe mich mit dem Chef des Bremer Nabu beratschlagt, Sönke Hofmann, der damit sehr viel Erfahrung hat. Ich wollte einheimische Pflanzen haben, mit Blüten, die für die Nektarsammler interessant sind. Bei so exotischen Pflanzen kommen manchmal unsere einheimischen Insekten gar nicht an den Nektar. Und ich wollte gern, dass sie Früchte tragen, die die Vögel fressen können.
Haben wir denn was besonders Schmackhaftes dabei für die Tiere?
Frank Sonnemann: Auf jeden Fall. Die Blätter der Kornelkirsche zum Beispiel werden gern von Hasen gefressen, ihre Kirschen von Vogelarten wie Kernbeißer, Dompfaff, Kleiber und Eichelhäher. Die Kirschpflaume ist eine gute Bienenweide mit reichlich Nektar. Der Hartriegel ist eine Futterpflanze für die Raupen von Tag- und Nachtfaltern, Vögel nisten gern in seinen Zweigen. Holunder ist eine super Futterpflanze: über sechzig Vogelarten lieben sie und auch sehr viele Insekten.
Bekommen wir auch was ab, es gibt ja auch rote und schwarze Johannisbeeren, Himbeeren und Stachelbeeren?
Frank Sonnemann: Naja, so ganz zuversichtlich bin ich nicht, das von den Beeren was übrigbleibt … vielleicht können wir den Mangold ernten. Ich säe auf den Boden in den nächsten Tagen nämlich noch Facelia, Buchweizen, Stangenmangold und Sonnenblumen. Außerdem wäre es schön, wenn Leute aus dem Haus noch was in die Beete pflanzen würden, Gemüse oder so, was man halt zuhause hat.
Umfasst ist das Beet von unbehandeltem Eichenholz. Das gefällt ästhetisch nicht jedem …
Frank Sonnemann: Ja, aber dadurch entsteht viel Lebensraum für Insekten. Die Eichenpfähle haben von sich aus sehr viele Hohlräume, die sind wichtig für kleines Getier. Man kann sich auch da rein bohren, da ziehen gern Hautflügler wie zum Beispiel Hummeln oder Wildbienen ein, die brauchen das Holz zum Wabenbau. Wir haben übrigens Eichenpfähle übrig, aus denen würde ich gern am nächsten Tag der offenen Tür Insektenhotels mit Kindern bauen.
Gebaut haben wir die Tribüne ja für unsere Sommerbespielung auf dem Goetheplatz, aber im Gegensatz zu den Vorjahren ist das sehr nachhaltig angefertigt …
Frank Sonnemann: Wir haben das so gebaut, dass das mindestens fünf Jahre hält. Wenn wir es früher wegmachen müssten, versteigern wir die Pflanzen, für das Holz finden wir auch Abnehmer:innen. Aber daran denke ich jetzt nicht. Jetzt möchte ich erstmal sichtbar machen, was für Pflanzen im Beet sind. Am liebsten mit kleinen Schildern. Theater hat für mich auch einen Bildungsauftrag und den sehe ich hier auch. Viele Leute gestalten ihre Gärten einfach schrecklich, besonders schlimm sind Hecken aus Kirschlorbeeren und Koniferen. Da ist natürlich auch viel Ahnungslosigkeit – so als Faustregel kann ich gern mitbegeben: Jede Pflanze, die sichtbar angefressene Blätter hat, bei der ist klar, dass Tiere davon essen, das heißt, die Pflanze ist Nahrung. Das verkraftet so eine Pflanze. Alles, was schön, glänzend und unberührt ist, nutzt wenig – da würde sich bei Regen nicht mal eine Amsel unterstellen.
Veröffentlicht am 11. Mai 2023