Common Ground 21- Befreiende Blicke
Sechs Wochen Goetheplatz-Bespielung: Dramaturgin Marianne Seidler über ein besonderes Vorhaben
Ab dem 10. Juni 2021 bis zum Ende der Spielzeit, also ganze sechs Wochen, sehen wir wieder gemeinsam. Nicht einsam, nicht zweisam, sondern gemeinsam. Denn nicht das Bild, ein Stück oder ein Film an sich entscheidet, was wir sehen, sondern unser Blick. In der physischen Anwesenheit anderer kommen nun endlich wieder alle Blicke zusammen. Aber auch das Individuum sieht und wird dabei gleichzeitig von anderen erblickt.
Wir können uns zeigen, uns beobachten und so ergänzt auch der andere Mensch, der neben, hinter, oder vor mir sitzt meinen Blick auf ein Stück.
Neben der Zusammenkunft des Publikums können auch unsere Mitarbeiter*innen im Zusammenspiel wieder gemeinsam Neues erschaffen. Immer auf Sicht planen, das war der Alltag für uns und viele andere. Auch bei der Idee zu Common Ground wussten wir nicht, ob sie draußen landet und Begegnungen möglich macht, oder ob sie als Entwurf auf unseren Desktops einstaubt. Nun sind wir froh, dass wieder alle zusammen auf ein Ziel hinarbeiten können. Die Gewerke und die Kunst begegnen sich und werden gerade beim Auftakt der Außenbespielung auf dem Goetheplatz sehr präsent sein. Diesen macht die Semioper King Arthur - Teil 1, die mit ihrem spartenübergreifendem Konzept und den offenen Umbauten das Theater in seiner ganzen Bandbreite zeigt, und das Innere, das oft Backstage abläuft, nach Außen stülpt. Auch inhaltlich stellt der Abend genau die Fragen, die für uns auch für die sechs Wochen Common Ground eine Grundlage sein werden.
Wem gehört die Stadt? Wer kommt rein, wer darf vorkommen? Wer spricht?
Wir möchten einen offenen Ort schaffen, der einlädt zu bleiben. Sich treiben zu lassen und vom Tanz bis zum Gespräch oder Konzert im besten Fall vergessen lässt, dass man eigentlich längst los wollte. Einen Ort, den man beim Vorbeiflanieren entdeckt, sich darauf einlässt, obwohl man andere Pläne hatte. Vielleicht sogar einen Ort, an dem man in der Hektik vorbeieilt und sich dann umentscheidet und zurückgeht. Durch das letzte Jahr steigerte sich die Konzentration auf Produktivität unglaublich stark. Freizeit war rar, es galt für die meisten, alles unter einen Hut zu bekommen. Dabei nahm, für manche ganz unbemerkt, die Lohnarbeit einen noch größeren Raum ein, als vor der Pandemie. Wir möchten einen Ort erschaffen, an dem man uns beim Arbeiten und Ausprobieren zuschauen kann.
Weg von dem reinen Produkt und hin zum offenen Ergebnis und Ereignis.
Mit den Urban Gardening Workshops möchten wir Kinder und Erwachsene gleichermaßen einladen, dem Spüren, und auch hier, dem offenen Ergebnis zu frönen. Denn eine Pflanze erwartet nichts von dir, „hat keine Meinung über dich“ und dennoch kann sie etwas geben. Sie sind eingeladen zuzuschauen bei einer Probe für den Tanz oder das Schauspiel, mitzudiskutieren über Stadträume oder zuzuhören und mit zu wippen bei Club Konzerten. Einen Schwerpunkt im abendlichen Programm bildet der Tanz, als eine der barriereärmsten Künste, ausdrucksstark und verständlich für die meisten von uns. Neben allen Interessierten am Programm, sind auch unverbindliche Zaungäste herzlich eingeladen, den Platz mit ihrer reinen Anwesenheit zu beleben und ihre Blicke schweifen zu lassen. Für kühle Getränke wird gesorgt sein. Ungezwungen und in Gemeinschaft. All das wird wieder möglich sein!
Veröffentlichung: 15.5.21