Wie eigentlich ... Green Culture?

Claudia Beißwanger vom Kammerensemble Konsonanz im Gespräch mit Schauspieldramaturg Stefan Bläske über dunkle Fassaden und Kultur in Zeiten des Klimawandels, die Bremer Green Culture Konferenz und mehr Butter bei die Fische.

Stefan Bläske: Ihr habt für den 16. und 17. September ein spannendes Programm mit renommierten Gästen zusammengestellt. Worum geht‘s? 

Claudia Beißwanger: Bei der Green Culture-Tagung „KLIMA – WANDEL – KULTUR“ geht es darum, welche Rolle die Künste beim Klimaschutz spielen können. Um als Kulturschaffende in diesem Bereich glaubhaft zu sein, kann es nicht nur darum gehen, sich mit dem Klimawandel künstlerisch auseinanderzusetzen. Der Kultursektor sollte sich in meinen Augen auch seiner Verantwortung für klimafreundlichere Betriebs- und Produktionsprozesse bewusst werden, um den eigenen CO2-Fußabdruck entsprechend zu reduzieren. Man spricht dabei von „Betriebsökologie“.

Das heißt konkret?

Claudia Beißwanger: Es geht z.B. um Maßnahmen zur energetischen Sanierung von Gebäuden, energiesparende Beleuchtungs- und Heizsysteme, die Reduzierung von Transportwegen, Nutzung klimafreundlicherer Transportalternativen oder der Vermeidung oder Wiederverwertung von Materialien z.B. für Bühne und Kostüm. Das Thema Klimaschutz im Kulturbetrieb ist zum Teil sehr vielschichtig und komplex. Einige Maßnahmen erscheinen offensichtlich, aber die Fragezeichen tauchen oft in der konkreten Umsetzung auf. Eine wichtige Frage ist auch, welche finanziellen Unterstützungen es gibt, um sich im Kulturbetrieb ökologischer aufzustellen. Mit der Tagung möchten wir Orientierung im Bereich „Green Culture“ bieten und haben daher Expert:innen eingeladen, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit den Teilnehmer:innen austauschen möchten.

Krieg, Gas- und Stromkrise machen das Energiesparen auch zur finanziellen Notwendigkeit.

Claudia Beißwanger: Eine Vielzahl von Kulturinstitutionen befinden sich in alten, zum Teil denkmalgeschützten Gebäuden, deren Energieverbrauch oft sehr hoch ist. Steigen die Energiekosten, müssen diese ungeplanten Mehrkosten kompensiert werden. Die Haushalte vieler Kulturbetriebe sind aufgrund der Folgen der Corona-Krise eh schon stark belastet. Die aktuelle Situation zeigt also schmerzhaft, dass ein Engagement für mehr Klimaschutz nicht nur eine weltanschauliche Frage ist, sondern es auch darum geht, Ressourcen zu sparen und Kosten zu senken. Ein Umrüsten auf klimafreundlichere Betriebsstrukturen bedeutet aber oft auch eine deutliche Investition, die die Kulturbetriebe nicht allein schultern können. Hier sind die öffentliche Hand und sonstige Kulturförderer wie Stiftungen gefordert, diese Transformation im Kulturbetrieb finanziell und strukturell zu unterstützen.

Seit 1.9. bleibt auch unsere Fassade ab 22 Uhr unbeleuchtet, die Temperatur bei 19 Grad. Ringsum weitere Vorschläge: Orchester sollen Reisen reduzieren, Museen ihre Öffnungszeiten … Was wären deine?

Claudia Beißwanger: Es gibt keinen einheitlichen Klima-Fahrplan für alle Kulturinstitutionen. Man muss genau schauen, was jeweils Sinn macht, anzupacken. Eine gute Entscheidungshilfe für die Priorisierung von Aufgaben im Bereich Umwelt- und Klimaschutz sind sogenannte Klimabilanzen: Auf der Basis verschiedener Parameter wird geschaut, wo der jeweilige Kulturbetrieb die meisten klimaschädlichen Verbräuche hat. Das kann z.B. im Bereich Mobilität von Mitarbeitenden oder dem Publikum sein, beim Energieverbrauch in Gebäuden oder bei der Produktion bzw. Vermeidung von Abfällen. Einen konkreten Einstieg in die Klimabilanzierung bietet der Praxis-Workshop mit dem Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit am Samstagnachmittag unserer Tagung.

Wie siehst du das aktuelle Engagement in den Kulturinstitutionen?

Claudia Beißwanger: Immer mehr Kulturinstitutionen setzen sich mit den Themen Klima und Umwelt auseinander. Das ist sehr ermutigend. In einigen Kulturinstitutionen gibt es bereits spezielle Klimabeauftragte, die die komplexen Aufgaben steuern. Diese setzen in Zusammenarbeit mit den verschiedenen Abteilungen Klima-Maßnahmen um und sorgen auch für eine transparente Kommunikation – nach innen in den eigenen Betrieb und auch nach außen an die Öffentlichkeit. Einige wenige bekommen diese Mehrarbeit zusätzlich bezahlt. Es gibt jedoch viele Kolleg:innen, die das unbezahlt und zusätzlich zu ihrer regulären Tätigkeit machen. Im schlimmsten Fall folgt daraus Überlastung oder Frustration. Klimaschutz im Kultursektor zu verankern ist ein Marathon. Es braucht dafür genügend zeitliche und auch finanzielle Ressourcen.

Statt Freiwilligkeit braucht es also auch Geld, Gesetze und Vorgaben aus der Politik?

Claudia Beißwanger: Klimaschutz ist kein „nice to have“. Manche Dinge für einen umweltfreundlicheren Kulturbetrieb sind überraschend einfach und kostengünstig umzusetzen. Einige Maßnahmen kosten aber viel Geld, z.B. die energetische Sanierung von Gebäuden. Auch bei Materialien für die künstlerische Produktion, z.B. für Bühne oder Kostüm, ist die nachhaltige Variante bislang leider oft die teurere. Es braucht daher finanzielle Unterstützung durch kommunale Förderung, Bundesprogramme, Stiftungen oder Mäzene. Und es braucht externe Expertise in Form von Beratung, Weiterbildung – oder eben einen Fachaustausch, wie das unsere Green Culture-Tagung bietet.

Für die Tagung gilt "pay as you wish", es gibt also keine Ausreden.

Claudia Beißwanger: Uns war wichtig, niemanden unter finanziellen Gesichtspunkten von der Teilnahme auszuschließen. Zum Glück bekommen wir für die Tagung auch eine großzügige Förderung durch die Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau des Landes Bremen.

Ihr versammelt Institutionen von Shakespeare Company über Theater Bremen bis Überseemuseum. Wie ist die Lage in Bremen?

Claudia Beißwanger: Was gute Ideen für mehr Klimaschutz im Bremer Kultursektor anbelangt, müssen wir das Rad zum Glück nicht komplett neu erfinden. Es gibt bereits viele gute Initiativen von Bremer Kultureinrichtungen und einzelnen Kulturschaffenden. Seit ein paar Monaten gibt es auch ein Bremer Netzwerk aus Klima-, Umwelt- und Kulturakteur:innen, die diskutieren, wie die Kulturbranche grüner werden kann. Wir müssen jedoch weiter in Austausch kommen, voneinander lernen und Ressourcen – Material wie Ideen – noch intensiver und koordinierter miteinander teilen, um noch mehr Synergien zu generieren. Besonders ermutigend finde ich, dass sowohl die Umwelt- wie auch die Kulturbehörde Bremens großes Interesse an der Tagung und am Austausch mit den Teilnehmer:innen hat. Im besten Falle endet die Tagung mit konkreten Verabredungen über die nächsten Schritte, die für Bremens Kulturszene Sinn machen. Klimaschutz ist eine kontinuierliche Aufgabe, da braucht es langen Atem, aber konkret eben auch mehr „Butter bei die Fische“.

 

Im Rahmen der Konferenz nimmt das Moks auch Post Paradise von sputnic wieder auf: Eine Auseinandersetzung mit dem Klimawandel für alle Menschen ab 15 Jahren.

Mehr Informationen zur Green Culture-Tagung „KLIMA – WANDEL – KULTUR“ gibt es hier.

 

Veröffentlichung: 9.9.22