Schauspiel
Kleines Haus
Fuck Identity – Love Romeo
Ein Spiel nach Shakespeares „Romeo und Julia“
Regie: Leonie Böhm
„Identität ist sowieso Quatsch.“ (Theater Thikwa) — Sag mir, wo du herkommst und ich weiß, wer du bist. Sag mir, zu welcher Gruppe du gehörst und ich entscheide, ob wir FreundInnen sein können oder FeindInnen werden müssen.
Klare Zugehörigkeiten, scharfe Abgrenzungen, eindeutige Identitäten. Das ist das Prinzip der gegeneinander agierenden Gruppen in Shakespeares berühmter Vorlage. Zwei Menschen aber pfeifen drauf, erteilen der Identitätsstiftung mittels Blut, Familie, Land, Sprache eine komplette Absage. Lustvoll, spielerisch, mutig und mit weitem Herzen überspringen sie die engen, seit Ewigkeiten gezogenen Gräben, leugnen alles Trennende und wollen nur eins: sich selbst genug und miteinander sein. Das freie, unbeschwerte und unverstellte Spiel eines Ensembles zu entfesseln und dabei etwas über intime Beziehungen zu erzählen, das hat Leonie Böhm in ihren beiden Arbeiten "Unterwerfung" und "Effi Briest (27)" geschafft. Nun wendet sie sich – folgerichtig – William Shakespeare zu. Dem Autor der anarchischen, gefühlsgesteuerten, intellektuell unschlüssigen und gerade deshalb so glaubhaften Figuren.
- mit Annemaaike Bakker
Sophie Krauss, Vincent Basse, Justus Ritter
Regie Leonie Böhm
Bühnenbild Zahava Rodrigo
Kostüme Magdalena Schön, Helen Stein
Licht Christian Kemmetmüller
Dramaturgie Marianne Seidler
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- „Klar geht es in Leonie Böhms sehr freier ‚Romeo und Julia‘-Inszenierung auch um Genderfragen. Aber nicht nur. Böhm und ihre vier PerformerInnen schlagen wüst rein, in so ziemlich jedes identitätspolitische Angebot, das ihnen so über den Weg läuft: Frau-Sein, Deutsch-Sein oder SchauspielerIn – Capulet oder Montague. Alles wird mit Lust abgepult und aufgehoben, der Mensch herausgeschält aus der Sippenhaft und freigemacht für die Liebe und das Leben. […] Ach so, die Männer waren auch nicht schlecht: Justus Ritter höchst akrobatisch und von brutal-komischer Selbstaufgabe. Vincent Basse ist auch toll – nicht nur, aber auch wie er selbst die romantische Shakespeareübertragung übersetzt: ‚Toll wie bekloppt‘. Überragend aber sind doch die langen gemeinsamen Momente von Bakkers zerbrechlich-roher Herzlichkeit und Krauss mit ihrem Changieren zwischen ‚Mein Mädel!‘ Geprolle und zutiefst sensiblen Einlassungen.“ (Jan-Paul Koopmann, nachtkritik, 3. Mai 2019)
„In der Musik würde man in so einem Fall in höchsten Tönen von Variationen und Improvisationen sprechen – und da hat das einen ganz anderen Klang, als wenn man von ‚improvisiertem Theater‘ spricht. Aber: Das war ganz wunderbar improvisiertes Theater an diesem Abend. […] Am Ende gab es sehr viel Beifall für einen erfrischenden und überraschenden Abend, dessen improvisierte Texte zwar manchmal hart an der Grenze zum Klamauk waren, diese Grenze aber nicht ein einziges Mal überschritten – sehr gelungen!“ (Marcus Behrens, Bremen Zwei, 4. Mai 2019)
„Es sind die leisen Momente, die der aus Improvisation, Musik und Zufall gewobenen Produktion im letzten Drittel einen Zauber geben, der bewegt statt bloß brüsk zu tönen. Das ist das Verdienst von Sophie Krauss und Annemaaike Bakker, die ihre Chance nutzen, dem Probenprozess bei der Premiere ein berührendes Theater der Erfahrungen abzugewinnen (Tränen inbegriffen).“ (Hendrik Werner, Weser Kurier, 5. Mai 2019)
„Es macht Spaß, da mitzuleiden. Annemaaike Bakker, Sophie Krauss, Vincent Basse und Justus Ritter sind hervorragend, ob sie nun ihre Rollen erforschen oder als SchauspielerInnen auf der Metaebene ins Quatschen kommen. Der Mut zum Chaos zahlt sich jedenfalls aus. Am Ende werden Sie viel gelacht haben, mussten sich vielleicht ein bisschen vorführen lassen – und ein bisschen mehr Klarheit über die verrückte Welt und ihre aktuell eskalierenden Debatten haben Sie dann ganz nebenbei auch noch mitbekommen.“ (Jan-Paul Koopmann, taz, 11. Mai 2019)