Musiktheater

Theater am Goetheplatz

La Damnation de Faust

Dramatische Legende in vier Teilen von Hector Berlioz
Text vom Komponisten und Almire Gandonnière
nach Faust I von Johann Wolfgang von Goethe
Musikalische Leitung: Markus Poschner
Regie: Paul-Georg Dittrich

„Wisst ihr noch: Schwefel, Scheiterhaufen, Rost ... Was für Albernheiten. Ein Rost ist gar nicht nötig, die Hölle, das sind die anderen.“ (Jean-Paul Sartre) — Dass es mit seinem Faust kein gutes Ende nehmen wird, hat Hector Berlioz schon in den Titel seines Werkes eingeschrieben. Auch ist er kein suchender Intellektueller nach dem Schlag des goetheschen Vorbilds: Berlioz’ Faust interessiert religiöser und philosophischer Erkenntnisgewinn nicht. Das Leben selbst ist ihm zum Höllenritt geworden. Er leidet am Überdruss an sich selbst ebenso, wie er den Zugang zu einer Gesellschaft verloren hat, in der Gott tot ist und menschliche Werte längst obsolet geworden sind. Nur Marguerite, die Méphistophélès ihm zuführt, kann ein kurzes Hochgefühl auslösen. Faust bleibt am Ende nichts als das Inferno – den Pakt dazu unterschreibt er aus freien Stücken. Hector Berlioz komponierte mit „La Damnation de Faust" ein revolutionäres Werk zwischen Oper, Oratorium und Chorsinfonie. Paul-Georg Dittrich inszeniert nach „Wozzeck" zum zweiten Mal am Theater Bremen, die musikalische Leitung hat – zum letzten Mal in seiner Funktion als Generalmusikdirektor – Markus Poschner.

Dauer: ca. 2 Stunden 30 Minuten, eine Pause

  • Marguerite Theresa Kronthaler
    Faust Chris Lysack
    Méphistophélès Claudio Otelli
    Brander Christoph Heinrich
    Kinderchor Kinderchor des Theater Bremen
    Extrachor Extrachor des Theater Bremen

    Musikalische Leitung Markus Poschner, Jinie Ka
    Regie Paul-Georg Dittrich
    Ausstattung Pia Dederichs, Lena Schmid
    Video Jana Findeklee
    Chor Opernchor des Theater Bremen, Alice Meregaglia
    Studienleitung Jinie Ka
    Licht Joachim Grindel
    Dramaturgie Ingo Gerlach
  • „[…]Wobei dieser Eindruck freilich auch das Resultat einer grandiosen musikalischen Umsetzung ist, mit Protagonisten von bannender Präsenz, mit impulsiv mitreißenden Chören und einem überragenden Dirigat. Es war die letzte Premiere des scheidenden Bremer Generalmusikdirektors Markus Poschner, und das einzige, was man ihm an diesem Abend vorwerfen kann ist, dass sein Dirigat denen, die in Bremen bleiben, den Abschied nach allen Regeln der Kunst schwer macht. […] Genau diese Differenzierungen bringt Poschner mit den glänzend aufgelegten Bremer Philharmonikern in großartiger Disposition zur Geltung, und zudem mit sehr viel Einfühlsamkeit […]. Und dann ist das auch der Abend des Bassbaritons Claudio Otelli als Méphistophélès. Wie er den diabolischen Maître de Plaisir gibt, der alles verspricht und dabei mit zynischer Garstigkeit alles verneint, was seinem Gegenüber lieb und teuer ist, das ist vokal wie darstellerisch umwerfend. […]Auch die Marguerite von Theresa Kronthaler ist begeisternd: ein leuchtender expressiv aufgeladener […] Mezzosopran, […] Und schließlich Chris Lysack in der oft etwas unbequem zwischen den Registern liegenden Titelpartie[…] liefert […] eine rollendeckende und hochpräsente Interpretation dieses zerrissenen Genusssüchtigen ab.
    Dass die Figuren so fesselnd herüberkamen, ist aber auch das Verdienst der Inszenierung von Paul-Georg Dittrich. Das verdient besonders hervorgehoben zu werden, denn die ist konzeptionell von einer vertrackten Intelligenz, die den Zuschauern das Nachvollziehen nicht immer leicht macht. […]. Der Coup von Dittrichs Inszenierung ist, dass er das Phantasmagorische in Berlioz‘ „Damnation“ nicht als Nachteil zu kompensieren sucht, sondern duch seinen Ansatz geradezu legitimiert. […]. Kraftvoll und präsent: Christoph Heinrich. […] Das war ziemlich schwere Kost. Aber davon lässt sich Bremens Premierenpublik, Avantgarde-gestählt und musikbegeistert, den Opernspaß schon lange nicht mehr verdrießen. Alle Sänger, Musiker und Regieteam, wurden mit anhaltender Begeisterung gefeiert.“
    Detlef Brandenburg, Die Deutsche Bühne online, 20. März 2017

    „Da die Vorlage weder inhaltlich noch musikalisch auf Linearität setzt, inszeniert Dittrich folgerichtig eine temporeiche Szenenabfolge mit Mut zum Fragmentarischen. Aus diesem Ansatz entwickelt sich eine seltsam sogartige Anti-Sinnlichkeit, auch dank des von einer glasklaren Ästhetik geprägten Bühnenbilds und der Kostüme (Pia Dederichs, Lena Schmid) […]. Dittrich erfindet starke Bilder. […]. Claudio Otelli agiert nicht nur teuflisch gut, auch stimmlich hinterlässt er einen sehr starken Eindruck, gestaltet seine Partie aggressiv und dunkel-voluminös. […].
    […] Theresa Kronthaler als Margarethe, die ihre Arien mit strahlendem, drängendem, wandlungsfähigem Sopran zu Höhepunkten des Abends werden lässt. Sie ist die interessanteste Figur der Inszenierung. […] Rundum geglückt ist dagegen die Einbindung des Opernchors und des Kinderchors (Leitung: Alice Meregaglia) als höllische wie weltliche Heerscharen. Vor allem die Mädchen und Jungen des Kinderchors als Satans Helferlein tragen viel dazu bei, die Stimmung immer wieder ins Dämonische kippen zu lassen. Genauso stark wird der Abend durch den Opernchor geprägt; der Oratoriums-Anteil der Musik bekommt durch dessen tadellose Leistung den Stellenwert, der ihm gebührt. Das gilt auch einmal mehr für die Bremer Philharmoniker unter Leitung von Markus Poschner. Dieser geht die kunstvolle Mischung aus Chorpassagen, sinfonischen wie klassischen Opernanteilen mit gewohnt scharfem analytischem Ansatz an und führte das Orchester zu einer mal punktgenauen, mal breit ausgespielten Umsetzung. Viel Schlussapplaus.“
    Iris Hetscher, Weser Kurier, 20. März 2017

    „Auch wenn die Musiker beim Premierenapplaus am Samstag im Graben hocken bleiben: Der Star ist in diesem Fall das Orchester. […]Marguerite ist ein Ideal, Theresa Kronthaler eine ideale Marguerite […].“
    Benno Schirrmeister, taz, 20. März 2017

    „Claudio Otelli als Méphistophélès füllt die Szene mit seinen wirklich diabolisch gefärbten Bariton. Chris Lysack teilt den Lyrismus seines Tenors so klug ein, dass er stabil und wendig durch die herausfordernde Partie kommt. Theresa Kronthaler singt eine fremdgesteuert wirkende, aber keine naive Marguerite. Ihr sicher tragender Mezzo befähigt sie im „König von Thule“ und in „Meine Ruh‘ ist hin“ zu viele Schattierungen.
    Markus Poschner, der nach Linz wechselnde Generalmusikdirektor, beflügelt die Bremer Philharmoniker zu einer zauberhaften atmosphärischen Charakteristik des Geschehens. Rhythmische Sicherheit, Scharfkantigkeit und weit ausgesungene Melodiebögen halten sich sicher in der Waage. Warum Berlioz als kühnster Musik-Neuerer vor Wagner gilt, in Bremen ist es zu erfahren.“
    Horst Hollmann, Nwz. online, 3. März 2017

    „Das in der letzten Zeit recht häufig gespielte Stück hatte im Theater Bremen eine viel bejubelte Premiere, obschon weder Regisseur Paul-Georg Dittrich noch der Dirigent Markus Poschner versuchten, die krause und unlogische Dramaturgie und die montageartige Musik […] in irgendeiner Weise zu glätten oder sogar gefällig zu machen. […] Dittrich entscheidet sich für einen hohen Grad an Abstraktion und gewinnt auf voller Länge. […] [Es] gelingt Dittrich immer wieder, aus den unzusammenhängenden Bildern voller Fragen und Brüchigkeiten dichte emotionale Szenen zu schaffen. […] Und unterstützt wird das von Markus Poschners ungemein farbenreichem Stil, der nie auftrumpft […]. Ohne die drei HauptdarstellerInnen hätte Dittrich seine Vision vom Melancholiker und Nihilisten Faust, vom lebenslustigen, dreckigen „Sieger“ Mephisto, von der „emanzipierten“ Marguerite […] nicht so überzeugend umsetzten können. Chris Lysack als Faust, […] ist in jedem Augenblick ein verkorkster Mensch. Claudio Otelli platzt vor Energie und Verführungskraft, Theresa Kronthaler als Marguerite zeigt sich als eine überragende Schauspielerin und Sängerin. […] Ein großes Lob dem Chor und Extrachor, auch dem Kinderchor.“
    Ute Schalz-Laurenze, nmz.de, 22.03.2017

    „Regisseur Paul-Georg Dittrich befreite Berlioz von ganz viel Interpreatationsmüll und präsentierte eine frappierend zeitgemäße Sichtweise, in der klar wurde, dass dieser „welsche“ Faust aber auch überhaupt nichts mit dem „teutonischen“ zu tun hatte. […] Montage, Schnitt, stilistische Vielfalt, Handlungs-und Ortssprünge in einem imaginären Raum, an dessen szenische Umsetzung zur Zeit der Entstehung des Werkes nicht zu denken war, wurden durch die Bühnenkonzeption in Bremen exzellent gelöst. […] GMD Markus Poschner entwickelte mit den Bremer Philharmonikern ein leidenschaftliches, vorwärtstreibendes Pathos und dirigierte mit hörbarem Faible für die „dämonischen“ Aspekte dieser Musik. […] Gesanglich wie schauspielerisch ebenfalls bestechend der bewegungsfleißige Chor.“
    Michael Pitz-Grewenig, Foyer am 15. Mai 2017