Schauspiel

Kleines Haus

Fremdes Haus

von Dea Loher
Regie: Alize Zandwijk

„Ist nicht etwas in Deinem Innern, das sich von der Lüge befreien möchte?“ (Henrik Ibsen) — Jane ist abgehauen. Die Lage in seiner Heimat ist prekär, es droht Krieg und die Wirtschaft geht den Bach runter. „Mach es wie Risto. Geh!“, sagten sie ihm. Jetzt steht er in Deutschland vor einem schäbigen Haus. Hier fristet Risto mit seiner Familie ein trostloses Dasein. Auch er war abgehauen, vor 20 Jahren. Die Geheimpolizei suchte nach ihm. Heute betreibt er einen Tabakladen, seine Frau prostituiert sich, seine Tochter hat nach einem Unfall nur ein Bein und ist mit dem Verursacher verheiratet. Jane begreift schnell, dass hier etwas nicht stimmt. Warum sonst sollte sich Risto so wenig über den Besuch aus der alten Heimat freuen. Immerhin waren Risto und Janes Onkel befreundet und Brüder im Geiste. Beide waren im Widerstand; Risto schaffte es rechtzeitig über die Grenze, Goce wurde interniert. Aber wer verriet ihn? Im fremden Haus wissen es alle. Alize Zandwijk, die nahezu alle Stücke von Dea Loher inszeniert hat, widmet sich dieser zeitlosen Parabel vom schlechtem Gewissen, von der Schuld und vom Scheitern eines Neubeginns im Exil.

Dauer: 2 Stunden keine Pause

  • „[…] Herausragend nun die Bremer Produktion: Alize Zandwijk übersetzt das Geschehen und die lakonisch nüchterne Sprachpoesie weniger in Körperlichkeit, denn in karg präzise Theatralität, stilisiert Bewegungen und lässt die Darsteller im Statuarischen eine beeindruckende Spielintensität entwickeln. […] Jeder Figur ist zudem ein charakterisierender Sprechduktus des Verschleierns eigen. […] Mädchenhaft schwärmerisch erstrahlt […] die Intonation der Tochter Agnes (eindrückliches Debüt als neues Ensemblemitglied: Gina Haller). […] Das Staunen machende der Inszenierung: Durchweht von zärtlich melancholischen Weisen des Musikanten Beppe Costa nimmt sie die Figuren ernst, ist aber nie parteiisch oder folgt Lohers Hang zum Pathos, bleibt stets unprätentiös emotionsgeladen. Agnes wird sanft zur Heldin stilisiert, da sie es schafft, sich vom Gatten und Liebhaber zu trennen, um Aufbruchs- zur Selbstbestimmung zu erheben. Die Frage neu stellt, warum und wofür noch leben: ein Katharsis-Anstupser.“ Jens Fischer, taz, 28.10.2017

    „[…]intoniert der betörende Beppe Costa derweil mit allerlei Zupf- und Blasinstrumenten mal verhaltene, mal treibende Songs, die einem Goran-Bregovic-Abend alle Ehre machen würden. […] einer erfreulich konzentrierten und ökonomischen Inszenierung […], in der Regisseurin Alize Zandwijk einmal mehr jedes Wort und jede Geste wägt – und die dennoch gesättigt ist mit poetischen Momenten: mit eingängigen Bildern, die als magisch anmutende Gleichzeitigkeit arrangiert sind. […] Überhaupt beschert dieses Lehrstück im Namen des Verrats dem sehr freundlich applaudierenden Premierenpublikum (zu dem auch Dea Loher zählt) eine sehr gute Ensembleleistung. Alexander Angeletta und Gina Haller, Novizen an Bremens Schauspiel, stechen hervor. „Fremdes Haus“ mag keine leichte Kost sein, ist aber durchweg bekömmlich angerichtet worden.“
    Hendrik Werner, Weser Kurier, 02.10.17

    „Die unter Wasser gesetzte Bühne fand ich sehr stimmig […] Außerdem waren die Spiegelungen im Wasser manchmal recht spektakulär. Die Musik von Beppe Costa hat das Ganze stimmungsvoll untermalt. Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben für Intensität gesorgt. Und dafür sollte man vielleicht besonders auf die drei Neuen im Ensemble hinweisen: Alexander Angeletta, Bastian Hagen und Gina Haller.“
    Christine Gorny, Radio Bremen Zwei, 01.10.17