Schauspiel

Theater am Goetheplatz

Amerika

nach Franz Kafkas Roman-Fragment „Der Verschollene“
mit der Kafka Band
Regie: Alexander Riemenschneider

„Verflucht sei, wer uns nicht glaubt!“ Mit diesem Paukenschlag endet der große Aufruf des Naturtheaters von Oklahoma – und mit dem Aufbruch ins Ungewisse, der bedrohlichen Freiheit einer ungewissen Zukunft, wie sie am Ende von Franz Kafkas erstem Romanfragment steht. Karl Roßmann, ein in Amerika gestrandeter sechzehnjähriger Junge aus Prag, bekommt dort seine allererste, oder seine letzte Chance. – Mit den tschechischen Musikern der Kafka Band um Schriftsteller Jaroslav Rudiš erarbeitet Alexander Riemenschneider nach „Das Schloss“ erneut einen Kafka-Abend. Er inszeniert den geradezu unwirklich heiteren Schelmenroman als Spurensuche nach einem, der – vielleicht – unter die Räder kommt, und als musiktheatrale Reise „nach Westen!“ Der Verschollene (so Kafkas ursprünglicher Titel) wird so neu beschworen; er, der verlorenging, wird wiedererfunden in den freien Lüften eines hausgemachten Traumamerikas.

Dauer: ca 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause

  • mit: Annemaaike Bakker
    Lisa Guth, Susanne Schrader, JARNOTH, Alexander Swoboda, Simon Zigah
    und der Kafka Band: a.m. almela, Jirí Hradil, Zdenek Jurcík, Dušan Neuwerth, Tomáš Neuwerth, Jaroslav Rudiš, Jaromir 99

    Regie Alexander Riemenschneider
    Bühne David Hohmann
    Kostüme Emir Medic
    Musik Kafka Band
    Licht Christian Kemmetmüller
    Dramaturgie Martin Mutschler
  • „Das Publikum begleitet also den als Gliederpuppe drapierten Protagonisten, den abwechselnd der bewundernswert auf seine filigrane Kunst konzentrierte JARNOTH und Mitglieder des Schauspielensembles beseelen, durch ein musikalisch sehr ansprechend untermaltes Stationendrama: von Karls Begegnung mit dem wohlhabenden Onkel (von mephistophelischem Sarkasmus: Alexander Swoboda), über sein Gerangel mit der höheren Tochter Klara (sportiv und eine sichere Sängerin: Annemaaike Bakker), sein Anheuern als Liftjunge bei Hotel-Oberköchin Grete (exzellent gestimmt: Susanne Schrader) und sein Anbandeln mit deren Sekretärin Therese (mit starken Monologen und Liedpartien: Lisa Guth) – bis hin zur beklemmenden Begegnung mit der monströsen Sängerin Brunelda, die Simon Zigah in einem der stärksten Bilder als verführungsmächtig belfernde Domina gibt. Überhaupt gibt es einige prägnante Szenen an diesem Abend […] Nachgerade betörend schließlich ist ein tschechischer Liedvortrag des charismatischen Kafka-Band-Sängers Jaromír 99, der von imposanten Stadt-Land-Fluss-Projektionen amerikanischer Provenienz begleitet wird […].“
    Hendrik Werner, Weser Kurier, 24.09.2017

    „[…] ‚Amerika‘, das Riemenschneider in knapp zwei Stunden als durchaus überzeugende Revue auf die Bühne bringt. […] eine Allegorie, die wohl selten so zutreffend war wie in diesen Tagen […] Kaum eine handelnde Person wird ausgelassen, auf Karls Weg von einer Verletzung in die nächste. Und Enttäuschungen gibt es etliche für die abwechselnd vom Puppenspieler Jarnoth und fünf weiteren Mitgliedern des Schauspiels äußerst sensibel und filigran gehändelte Puppe. Untermalt von den zunehmend elektronischer werdenden Songs der grandios aufgelegten Kafka Band, setzen sie ihm alle zu: der wohlhabende, aber ziemlich psychotische Onkel (brutal und diabolisch: Alexander Swoboda), die übergriffige Klara (nicht nur als Sängerin auffallend: Annemaaike Bakker) sowie die Oberköchin Grete, die den jungen Mann ohne mit Wimper zu zucken wieder fallen lässt (ebenfalls eine überzeugende Unterstützung der Band: Susanne Schrader). Nicht zu vergessen, die Sekretärin Therese […] Trotz des Rumgeheuls eine sehr starke Rolle für Lisa Guth, die mit bedrückenden Monologen einmal mehr klarmacht, dass sie hier alle Verlierer sind. […] Das gilt auch für die Sängerin Brunelda, grandios verkörpert von Simon Zigah.“
    Mareike Bannasch, Kreiszeitung, 25.09.2017

    „Imposant ist das mobile Podest, das Darsteller und Musiker beherbergt. Im Zentrum sehen wir eine übergroße Marionette. […] Ein intelligentes Stilmittel, um die Zerrissenheit des Mannes zu zeigen […] – Vorhang zu, großer Applaus.“
    Sabrina Wendt, Nordwestzeitung, 25.09.2017

    „Die Puppe als Hauptfigur ist ein überzeugender Regie-Einfall. Ein perfektes Symbol für den typischen Kafka-Helden, vereinzelt und fremdbestimmt. […] Insgesamt ist die konzertante Lesung mit Puppenspiel, plus schauspielerischen Einlagen überzeugend intensiv. Besonders erwähnen sollte man vielleicht Lisa Guth und Alexander Swoboda, sowie den Puppenspieler Jarnoth […]. Und die Kafka-Band, die durchgehend sehr stimmungsvoll gespielt hat.“
    Christine Gorny, Radio Bremen Zwei, 23.09.2017

    „Rudiš hat zusammen mit dem Regisseur Alexander Riemenschneider die Theaterfassung geschrieben und ist der Sprech-Sänger der Kafka-Band, die auf der Bühne das Geschehen wie ein antiker Chor begleitet, aus dem sich immer wieder Schauspieler lösen, um eine überlebensgroße Kafka-Puppe im Spiel zu halten und mit ihr die Handlung zu formen. Eine unwahrscheinlich klingende Illusion, die auf erstaunliche Weise glückt.“
    (Uwe Ebbinghaus, FAZ, 14. Oktober)

    „Frühindustriell klingender Techno-Sound verbindet sich mit traditionellen Melodien, die sich immer wieder zu regelrechten Ohrwürmern auswachsen.“
    (Uwe Ebbinghaus, FAZ, 14. Oktober)

    „[…] Es ist eine einleuchtende Idee von Regisseur Alexander Riemenschneider, die zentrale Figur […] ins Puppenspiel zu verlagern. […] die […] Kafka-Band, ein hochkarätig besetztes, tschechisches Septett, [veredelte] schon Riemenschneiders vorangegangene Kafka-Inszenierung „Das Schloss“ mit melancholischen Indiechansons […]. In „Amerika“ hat der Musikeinsatz […] einen gewissen statischen Charakter des Gezeigten zur Folge, immer wieder gesellen sich die Schauspieler zur Band und sorgen so dafür, dass die Inszenierung Züge eines szenischen Konzerts annimmt. Wobei diese Statik nur konsequent ist: Riemenschneider […] erzählt eine über die gesamte Strecke im Passiv gehaltene Depressionsparabel, bei der allzu viel Bühnenaktivität fehl am Platze wäre. […] Die sparsam, aber wirkungsvoll eingesetzten Aktionen der übrigen Figuren […]: wenn Simon Zigah als grausige Herrin Brunelda ein in derber Körperlichkeit explodierendes Solo performt, wenn Guths Sekretärin vom Tod ihrer Mutter berichtet, und damit einen […] anrührenden Moment schafft. […] Riemenschneider hat mit „Amerika“ also etwas geschafft, was kaum möglich ist: Er hat Kafka noch ein wenig dunkler gelesen, als es der Roman verlangt.“
    Falk Schreiber, Theater heute, Ausgabe 11/2017

    „Eigentlicher Protagonist ist aber eine übermannshohe Puppe, […] die vom Puppenspieler Jarnoth geführt und auch exzellent gesprochen wird. […] die mutig zusammengestellte Montage hält die Spannung bis zum Ende – so fragil die Zwitterform zwischen Konzert und Schauspiel auch sein mag. […] Besonders Alexander Swoboda gelingt es, in seine Figuren die die notwendige Dosis echten Menschenblutes hereinzutragen. […]“ Sven Garbade, foyer Heft 122