Musiktheater
Theater am Goetheplatz
Der Rosenkavalier
Komödie für Musik in drei Aufzügen
von Richard Strauss
Text von Hugo von Hofmannsthal
Musikalische Leitung: Yoel Gamzou
Regie: Frank Hilbrich
„No matter what the future brings / As time goes by.“ (Frank Sinatra) — Nicht nur die Zeit, sondern auch die Liebe ist ein sonderbar Ding: Der Marschallin schwört ihr jugendlicher Liebhaber Octavian ewige Treue. Baron von Ochs ist hinter jedem Rock her, selbst wenn ein als Mädchen verkleideter Octavian darin steckt. Sophie soll mit eben diesem Ochs verheiratet werden. Doch kurz vor der Eheschließung taucht erneut Octavian auf, jetzt als Rosenkavalier, und sofort ist es um ihn und Sophie geschehen. In einer Fassung, die das Augenmerk auf die Hauptpersonen richtet, widmen sich Regisseur Frank Hilbrich und Generalmusikdirektor Yoel Gamzou dem Werk des Autorenduos Strauss / Hofmannsthal, das nicht nur von der Vergänglichkeit und dem brüchigen Eis des Begehrens erzählt, sondern auch ein ebenso schmerz- wie rauschhafter Abgesang auf eine sich dem Ende zuneigende Epoche ist.
Dauer: ca 3 Stunden 45 Minuten, zwei Pausen
- Die Feldmarschallin Fürstin Werdenberg Nadine Lehner, Pauliina Linnosaari
Der Baron Ochs auf Lerchenau Patrick Zielke
Octavian Nathalie Mittelbach
Herr von Faninal Christian-Andreas Engelhardt
Sophie, seine Tochter Nerita Pokvytytė
Ein Polizeikommissar Wolfgang von Borries, Daniel Ratchev
Hippolyte Luis Olivares Sandoval
Leopold Jakob von Borries
Bremer Philharmoniker
Musikalische Leitung Killian Farrell, Yoel Gamzou
Inszenierung Frank Hilbrich
Bühne Sebastian Hannak
Kostüme Gabriele Rupprecht
Licht Christian Kemmetmüller
Dramaturgie Brigitte Heusinger
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- „Der Bremer ‚Rosenkavalier‘ hat den Nährwert eines unvermuteten Erschreckens, den noch jeder Blick hinter die Oberfläche eines schönen Scheins mit sich bringt. Dafür muss man einen Preis zahlen, weil es viele ans Herz gewachsene Schmankerl oder Nebensachen nicht gibt. […] Lässt man sich darauf ein, dann leuchtet dieser Abend nicht schwelgerisch im Gegenlicht der Melancholie, wie sonst so oft und hochwillkommen. Dann ist das Gegenlicht analytisch kalt und zeichnet die Gesichts- und Charakterzüge der verbliebenen Beteiligten scharf nach. Stellt sie in den Mittelpunkt und entstellt sie allesamt zur Kenntlichkeit. Kein Genre-Wimmelbild aus dem Man-ist-was-man-ist-Wien; eher Einzelporträts von dessen menschlichen Folgen…. Dieses mutige (und in Dresden oder Wien nur schwer vorstellbare) Rosenkavalier-Experiment bezieht einen Gutteil seine Wirkung aus dem fabelhaft präzisen Spiel der Protagonisten.“ (Joachim Lange, Neue Musikzeitung, 22. September 2019)
„Yoel Gamzou ist auch hier ein energetischer, das vorwärtstreibender, teilweise verblüffend schnell dirigierender Mann, der allerdings auch tolle Solisten zur Verfügung hat, gerade Patrick Zielke als Baron Ochs ist wirklich hinreißend, wunderbar komisch, ungeheuer, ja auch erotisch in seiner ganzen doch sehr wuchtigen Körperlichkeit, die wiederum toll inszeniert ist von Frank Hilbrich. Die versuchen was, die machen hier Experimente, das ist erstmal zu loben, auch mit den Einschränkungen, dass ich es nicht ganz geglückt im Konzept finde, aber es ist virtuos umgesetzt, auch mit Nadine Lehner als Feldmarschallin. […] Ein deshalb doch spannender Abend.“ (Uwe Friedrich, Deutschlandfunk, 20. September 2019)
„Für die Liebeswirren hat Sebastian Hannak ein äußerst raffiniertes Labyrinth auf der Bühne gebaut. Zu Anfang bildet es ganz vorn an der Rampe eine Wand mit hier durchaus noch übersichtlicher rechteckiger schwarz-weißer Spiralstruktur. Doch dann verschieben sich die Wandsegmente asynchron und fast unmerklich langsam nach hinten, schachteln sich dadurch dreidimensional auf und bilden ein alles andere als übersichtliches Raumgefüge. In diesem wunderbar abstrakten Raum nutzt Frank Hilbrich die Fokussierung auf die Hauptfiguren vor allem dazu, die erotischen Beziehungen in drastischem Naturalismus ausagieren zu lassen. Das führt im zweiten Akt zu einer bärenstarken Nummer von Patrick Zielke, dem Baron Ochs auf Lerchenau: Wie er diesen fetten, vitalen, bäurischen Womanizer auf die Bühne wuchtet, ein erotisches Monster von widerwärtiger Unersättlichkeit und Skrupellosigkeit, das hat große Klasse. Und wie er seine Partie dennoch in keinem Moment der vokalen Charge preisgibt, sondern wirklich kultiviert, gut artikuliert und mit enormer Präsenz bis in die schwärzeste Tiefe singt, das hat ganz große Klasse.“ (Detlef Brandenburg, Die deutsche Bühne, 12. Oktober 2019)
„Ein Stück, so zeigt uns Regisseur Frank Hilbrich, das man keineswegs auf seine Rokoko-Atmosphäre reduzieren sollte. Sondern das vor allem vom Lebensgefühl, von der Zerrissenheit des modernen Menschen kündet, von dem Gefühl des Zurückgeworfenseins des Menschen auf sein eigenes Selbst, von seinen Ängsten vor der Vergänglichkeit – seiner Hilflosigkeit gegenüber der Tatsache, dass ‚eine Sach‘ ein End‘ hat“. […] Das Orchester lotete unter Yoel Gamzou genießerisch alle Nuancen der Partitur aus, ihre rauschhaften Ekstasen, ihre kammermusikalischen Klangabmischungen, jede Walzerseligkeit. Mit Recht durften die Musiker zum Schluss auf die Bühne kommen und von dort begeisterten Beifall entgegennehmen.“ (Gerhart Asche, Opernwelt, November 2019)
„Hilbrich interessiert sich also weniger für die historischen Brüche – wie den Niedergang der alten Gesellschaft angesichts der Moderne – als für zeitlose menschliche Konflikte und psychische Konstellationen. Das gelingt ziemlich bewegend und teilweise dramatisch. […] Großes Lob auch für die sehr aufmerksamen Bremer Philharmoniker, die wirklich bravourös die Vielschichtigkeit des Stückes herausgespielt haben, in flottem Tempo. Die komplizierten musikalischen Ebenen wirkten wie aus einem Guss, dabei leicht und unbeschwert. Also musikalisch ein großer Genuss. Ein sehr überzeugender Spielstart für die Musiksparte. Nicht nur musikalisch, sondern die Inszenierung insgesamt.“ (Christine Gorny, Bremen Zwei, 21. September 2019)
„Vor allem aber bietet das Bühnenbild viel Raum für die expressive, intensive Art der Personenführung, mit der Hilbrich die Geschichte erzählt. Wobei die Sänger sich allesamt als Singschauspieler von Format profilieren. Nadine Lehner ist eine Marschallin, die unter den Existenzängsten des modernen Menschen leidet und das gesanglich enorm textbewusst zu beglaubigen weiß – bis hin zu ihrer erschütternden Selbstaufgabe am Schluss. Nathalie Mittelbach überzeugt als ein Octavian von gesanglich stürmischem Temperament und zieht für ihren doppelten Rollenwechsel (eine Frau spielt einen Mann, der wiederum eine Frau spielt) alle schauspielerischen Register. Nerita Pokvytytes Sophie erweist sich auch stimmlich als recht emanzipiert und verleiht den extremen Sopranhöhen des herrlichen Schlussterzetts besonderen Glanz. […] Das Orchester unter Yoel Gamzou lotete alle Nuancen der Partitur aus, ihre rauschhaften Ekstasen, ihren kammermusikalischen Silberklang, ihre Walzerseligkeit.“ (Gerhart Asche, Weser Kurier, 22. September 2019)
„Mit kühnen Strichen befreien Yoel Gamzou und Regisseur Frank Hilbrich den ‚Rosenkavalier‘ von Kitsch. Die Welt ist eine Abstraktion, geschaffen von Sebastian Hannak: Der Bühnenbildner hat eine silbrig-schwarze Rosette eckig in die Tiefe des Goethe-Theaters gestaffelt. Und die Geschichte hat ein Ziel: Regisseur Frank Hilbrich und Opern-Generalmusikdirektor Yoel Gamzou haben sie entkernt, bis sie sinnvoll erscheint. […] Bis zum Erschrecken real verkörpert Patrick Zielke dieses obszöne Urbild toxischer Männlichkeit, die gegen alle singt. Mit der Partie steigt er in die tiefsten Tiefen bis kurz vorm Würgereiz: Beeindruckend und unheimlich. Bravo.“ (Benno Schirrmeister, taz, 28. September 2019)
„Die Lebensangst der Marschallin verdeutlicht sie [Nadine Lehner] mit emotionalem Hochdruck, als ginge es stets um Leben oder Tod. Nathalie Mittelbach ist ein schönstimmiger Octavian, der seine Lebens- und Liebesgier kaum zu zügeln weiß. Nerita Pokvytyté bezaubert als Sophie mit strahlender Höhe. Das Terzett im 3. Akt gelingt den drei Sängerinnen so traumhaft schön, dass man Zeit und Raum vergisst. Patrick Zielke ist in jeder Rolle bühnenbeherrschend. Das gilt auch für seinen Ochs, den er als widerwärtigen Zeitgenossen anlegt, dem er aber stimmliche Wucht und Größe verleiht. […] Wie Yoel Gamzou und die Bremer Philharmoniker die teils rauschhafte, teils filigrane Musik von Richard Strauss spielen, lässt keine Wünsche offen. Man spürt, mit welchem Herzblut er sich gerade diese Oper zu eigen gemacht hat. Das Orchester nahm den begeisterten Beifall auf der Bühne entgegen.“ (Wolfgang Denker, Nordwest Zeitung, 22. September 2019)
„Yoel Gamzou dirigierte einen sehr transparenten ‚Rosenkavalier‘, der Strauss‘ phänomenale Instrumentationskunst gut hörbar machte. Sein schlankes Dirigat deckte die Sänger nie zu, und seine flüssigen Tempi passten sich ideal dem lockeren Parlando an, das über weite Strecken vorherrscht. Mit dem gebotenen schwelgerischen Schwung aber ohne falsche Sentimentalität führte er die Bremer Philharmoniker sicher durch diese hochkomplexe Partitur. Sein Orchester dankte es ihm mit sowohl zarten Klängen als auch berauschender Dramatik und meisterte auch technisch sehr schwierige Übergänge bravourös!“ (Thomas Birkhahn, ioco, 21. September 2019)
„Yoel Gamzou zauberte mit den Bremer Philharmonikern ein Wunderwerk an Farben, Raffinessen und Stimmungen, stellte den ‚Rosenkavalier‘ aber auch als Werk des 20. Jahrhunderts vor. Nadine Lehner spielte die leidenschaftliche Marschallin bestechend präzise und zeichnete ihre Zukunftsängste bewegend nach.“ (Markus Wilks, Foyer, November 2019)
„Die Bremer Philharmoniker unter der exzellenten Stabführung von GMD Yoel Gamzou bieten eine mitreißende, bewegende Interpretation der Musik, in der sich die Gefühle und Gedanken der verschiedenen Charaktere spiegeln. Ebenso großartig und verdient umjubelt ist die Leistung der Sänger*innen, die sich erneut als beeindruckende Schauspieler*innen erweisen. […] Positiv zu bewerten ist ganz sicher Hilbrichs differenzierte, ausgefeilte Personenregie, die die einzelnen Figuren klar herausarbeitet.“ (Ursula Myke, Brillant, Herbst/Winter 2019)