Schauspiel

Theater am Goetheplatz

Woyzeck

Nach dem Stück von Georg Büchner
Musik und Liedtexte von Tom Waits und Kathleen Brennan,
Konzept von Robert Wilson
Regie: Klaus Schumacher

„Tau wird sich bilden auf unseren Gräbern, und die ganze Welt wird grün.“ (Tom Waits) – Was passiert, wenn ein Mensch zum Versuchsobjekt der Medizin wird? Zum Spielball der Mächtigen? Woyzeck hetzt von einem Job zum nächsten, sein magerer Sold genügt nicht, seine Freundin Marie und das gemeinsame Kind zu ernähren. So verkauft er seinen Körper für scheinbar wissenschaftliche Experimente. Doch der Arzt missbraucht ihn ebenso wie sein Hauptmann. Als körperliches Wrack gleitet Woyzeck immer tiefer ab in Wahn und Verzweiflung. „Jeder Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ Tom Waits hat zu Büchners sozialkritischem Dramenfragment einen fatalistisch-schönen Soundtrack geschrieben. Bevor in der zweiten Spielzeithälfte das Team um Gintersdorfer/Klaßen den Stoff divers und heutig neu befragt, reanimieren wir die Erfolgsproduktion von Klaus Schumacher (2013) und lassen sie nochmal erklingen: die Songs wie „God’s away on business“ und „Misery is the river of the world“, in ihrer zeitlosen Melancholie.

Hier können Sie sich das Programmheft herunterladen.

  • Woyzeck Simon Zigah
    Andres Martin Baum
    Marie Annemaaike Bakker
    Doktor Guido Gallmann
    Hauptmann Susanne Schrader
    Karl Peter Fasching
    Margaret/Ausrufer Gabriele Möller-Lukasz, Siegfried W. Maschek
    Tambourmajor Johannes Schumacher
    Musiker Andy Einhorn, Jan-Olaf Rodt, Claudius Tölke, Romy Camerun, Stefan Ulrich, Tobias Vethake
    Regie Klaus Schumacher
    Bühne Katrin Plötzky
    Kostüme Heide Kastler
    Musikalische Leitung Tobias Vethake
    Licht Christopher Moos

    Dramaturgie Marianne Seidler
  • „Umjubelter Woyzeck“ (Stefan Grund, Hamburger Abendblatt, 2./3. März 2013)

    „In einem letzten klaren Moment spricht der wahnsinnige Woyzeck die weisen Worte: „Der Mensch ist ein Abgrund, es schwindelt einem, wenn man hinabsieht.“ Kurz darauf schlitzt er, am Theater Bremen kraftvoll verkörpert von Simon Zigah, seiner Marie (begnadet: Annemaaike Bakker) die Kehle auf uns spielt mit der Leiche wie ein Kind mit der Puppe […] Die gewitzte, in den ersten zwei Dritteln sehr verspielte und zum Schluss emotional überwältigende Arbeit hat Klaus Schumacher abgeliefert […]
    Doch kippt dieser verwurschelte Woyzeck nicht ins Belanglose, sonder ist bedeutend. Von Anfang an entwickelt Schumacher die äußeren Stimmen, die auf Woyzeck eindröhnen, als Motoren seiner inneren Dämonen, die schließlich zur Bluttat führen. Das gesanglich wundervolle Ensemble […] harmoniert sehr gut mit dem Live-Orchesterquartett.“ (Stefan Grund, Hamburger Abendblatt, 2./3. März 2013)

    „Und – Entwarnung für Büchner-Liebhaber: Man erkennt in dieser Aufführung vieles wieder. Da der Text lediglich in Bruchstücken und Einzelszenen erhalten ist, kann es bei Aufführungen des „Woyzeck“ eine verbindliche „Werktreue“ natürlich nicht geben.[…] Die Bremer Inszenierung macht von diesen Möglichkeiten ausgiebigen, durchweg auch einleuchtenden Gebrauch. Titelheld Woyzeck, seine Freundin Marie, seine Peiniger Doktor und Hauptmann sowie der Tambourmajor als Nebenbuhler sind sämtlich vorhanden. Aber sie sehen hier zuweilen etwas anders aus. Als man es aus konventionellen Aufführungen gewohnt ist. […]
    Radikal und unerbitterlich entwickelt der Autor diesen Untergang seiner schuldlos-schuldigen Figuren – was aber in der Bremer „Woyzeck“-Version durch die teils mitreißenden, teils sentimentalen Songs von Tom Waits beinahe tröstlich abgemildert wird.Dass durchweg Englisch gesungen wird, oft verblüffende kunstfertig sogar, tut der Verständlichkeit des Ganzen kaum jemals Abbruch.“ (Rainer Mammen, Weser Kurier, 2. März 2013)

    „Woyzeck erobert den Goetheplatz“ (Corinna Laubach, BILD Bremen, 4. März 2013)

    „Klaus Schumacher gelingt mit dieser sehenswerten Inszenierung das feinabgestimmte Spiel aus Dialogen und Musik mit Leichtigkeit. Simon Zigah als Woyzeck und das gesamte Ensemble überzeugen mit jedem Ton und jeder Geste. […] Wunderbar! Nicht enden wollender Applaus. Das hat man am Goetheplatz lange nicht erlebt!“ (Corinna Laubach, BILD Bremen, 4. März 2013)

    „Darin liegt die eigentliche Tragik dieses Abends. Nicht in der Anklage einer vermeintlichen Diskriminierung, wie „Woyzeck“ allzu oft verstanden wird. Sondern in den unterschiedlichen Perspektiven der Protagonisten auf Tugenden wie Pflicht, Freiheit und Verantwortung. Und im Widerspruch von kollektiver Moralvorstellung einerseits und individueller Interpretation derselbigen andererseits. Wenn etwa Marie von ihrem Anspruch auf „Individualität zur Freiheit“ tatsächlich Gebrauch macht und sich dem Werben des feschen Tambourmajors (Claudius Franz) hingibt, so kann Soldat Woyzeck darin nur einen Verrat an der Pflicht sehen. „Bin ich Mensch?“, ruft Marie deshalb voller Zweifel, als Woyzeck sie beim Anprobieren der vom Nebenbuhler geschenkten Ohrringe ertappt. Der Doktor hätte über diese Frage wohl laut gelacht. Wilsons „Woyzeck“, das ist bei Schumacher eine finstere Zirkusvorstellung mit strenger Fremd- und Selbst-Dressur, bösen Clowns sowie einer Musik, die den Menschen Befreiung verspricht, wo sie Zucht liefert: „Misery’s the ryhthm of the world“, singen sie und merken gar nicht, dass sich der Rhythmus des Elends in eben diesem Marsch überhaupt erst manifestiert. So prägnant, wie die Regie (glücklicherweise ohne Wilsons Tableau-Ästhetik) unser Scheitern an der Tugend zu spiegeln vermag, so überzeugend gelingt es dem Ensemble, in diesem Scheitern die Identität des Menschen sichtbar werden zu lassen. […] Am Ende tritt die Nachbarin Margareth (Gabriele Möller-Lukasz) an die Rampe, um noch mal ihre eigene Sicht auf das mit den Sterntalern kundzutun. Das arme Kind muss jetzt erkennen, dass der gute Mond in Wahrheit nur ein verfaultes Stück Holz ist. Aus der Sonne wird eine verwelkte Blume. Statt der vielen blanken Taler gibt’s am Ende nur Tränen und Einsamkeit. Das ist nicht mehr Grimm. Das ist Büchner.“ (Johannes Bruggaier, Kreiszeitung, 2. März 2013)

    „Simon Zigah ist sowieso ein toller Woyzeck […] Mit unaufdringlichem Timbre gibt er seine Figur gerade in den Songs beträchtliche seelische Tiefe. Annemaaike Bakker zeigt eine hinreißende Marie zwischen großer Verlorenheit und enormer Vitalität, voller Sehnsucht nach dem guten Leben, die ihr zum Verhängnis werden wird.“ (Andreas Schnell, Nordsee Zeitung, 2. März 2013)

    „Die Zuneigung der verzweifelten Marie (herausragend: Annemaaike Bakker) prallt an ihm (Woyzeck) ab. […] Ein atemberaubender Theaterabend!“ (Weser Report, 3. März 2013)