Musiktheater

Theater am Goetheplatz

Jakob Lenz

Kammeroper Nr. 2 von Wolfgang Rihm
Text von Michael Fröhling
frei nach Georg Büchners Novelle „Lenz“
Musikalische Leitung: Killian Farrell
Regie: Marco Štorman

Jakob Lenz, der Sturm-und-Drang-Dichter, wandelt durch das Gebirge, getrieben von Selbstmordgedanken und geisterhaften Stimmen. Die schöne Natur wird zur Bedrohung. Alles, wonach er sucht, ist „in Allem Leben, Möglichkeit des Daseins.“ Aber er wird scheitern: an seiner quälenden Vergangenheit und an der Außenwelt, die seinen Zustand als Wahnsinn kategorisiert. „Obwohl Lenz auf vielen Ebenen handelt oder zu handeln versucht oder zu handeln glaubt, hat er keinen Handlungsspielraum.“ – so der Komponist Wolfgang Rihm, der mit seiner 1977/78 entstandenen Kammeroper "Jakob Lenz" ein höchst subjektives Porträt eines verirrten Künstlers geschaffen hat, ein musikalisch-expressives wie feinfühliges Psychogramm. Das Team um den Regisseur Marco Štorman hat eine intime Raumsituation geschaffen: ein anatomisches Theater platziert im Bühnenraum. Die Zuschauer*innen sind nah dran, wenn Jakob Lenz unter dem Druck der Außenwelt zusammenbricht und seine Seelenzustände gnadenlos seziert werden.

Die wichtigsten Informationen zur Bühnensituation finden Sie hier.

  • „Dieser Opernabend mit ‚Jakob Lenz‘ von Wolfgang Rihm im Theater am Goetheplatz wirkt lange nach und dürfte sich bei den meisten Zuschauern tief ins Gedächtnis gebrannt haben. Und das aus mehreren Gründen: Zum einen ist da die singuläre Leistung von Claudio Otelli in der Titelpartie, zum anderen sind es die Inszenierung von Marco Štorman und die Bühnengestaltung von Jil Bertermann, die für beklemmende, intensive Hochspannung von der ersten bis zur letzten Sekunde sorgen. […] Das von Killian Farrell geleitete Orchester besteht aus elf Musikern […]. Die vielschichte Musik von Rihm wird hier optimal zum Klingen gebracht, insbesondere in den verschiedenen Zwischenspielen. Ein nachhaltiger und das Publikum fordernder Opernabend, den man sich nicht entgehen lassen sollte!“ (Wolfgang Denker, Weser-Kurier, 2. Februar 2020)

    „Ganz ehrlich, ich bin immer noch ganz aufgewühlt, so ein eindrückliches Erlebnis im Theater hatte ich schon lange nicht mehr. Schon der Beginn geht einem im wortwörtlichen Sinne ganz nah, weil die Reihen so steil nach oben gehen, ist man am Geschehen ganz nah dran, man sieht jede Bewegung, jeden Schritt von Claudio Otelli, der den Lenz verkörpert […] Man hört das Ensemble in einer Intensität, die ich so lange nicht mehr wahrgenommen habe, kurz gesagt, man spürt am eigenen Leib, wie dieser Lenz wahnsinnig wird. […] Immer erfrischend, immer mit guten Ideen. Regisseur Marco Štorman hat wirklich einen guten Job gemacht. […] Man ist nah dran und fühlt sich besser unterhalten als in einem Netflix-Thriller.“ (Tomasz Kurianowicz, Bremen Zwei, 2. Februar 2020)

    „Der rückhaltlos sich verausgabende Claudio Otelli überzeugt gleichermaßen als Schauspieler, prononcierter Sprecher und Sänger mit warm timbriertem Bariton in der Ausformulierung des auskomponierten Psychogramms, schmeißt sich so leidenschaftlich wie souverän in den rasenden Kampf gegen innere Vereisung – passend dazu gewinnt das auf dem Spielpodest ausgekippte Wasser per Theatertrick so nach und nach die Anmutung von Schneematsch und Eis. Otellis Lenz haucht, keucht, schreit, wütet, stammelt, wimmert, flüstert. Hat Visionen, hört Stimmen. Verkriecht sich angstgepeinigt unter der Bühne – und kommt tänzelnd wieder hervor. Irrt durch seine Halluzinationen. […] Ein verstörender Abend: klanglich diffizil, szenisch schlüssig, sängerisch und darstellerisch eine Wucht.“ (Jens Fischer, Die deutsche Bühne online, 2. Februar 2020)

    „Claudio Otelli in der Hauptrolle gestaltet seine fast pausenlose, 75-minütige Megapartie zwischen Falsett, Sprache und für Bariton unerhörter Tiefe, rezitativisch, volksliedernd, melodramatisch, zu einem Erlebnis – atemberaubend.“ (Benno Schirmeister, taz, 10. Februar 2020)

    „Getragen wird der kurze Abend von der totalen singspielerischen Identifikation Claudio Otellis, dem die Darstellung der Titelrolle mit packender Intensität gelingt. […] wie er übergangslos zwischen melodischer Linie, Flüstern, Lachen, Sprechen, Aufschrei und weiteren Modi stimmlicher Entäußerung variiert – das ist maßstabsetzend. Christoph Heinrich als Oberlin, […] ist sein in der Stimmführung locker-eloquenter Bass-Partner, Christian-Andreas Engelhardt gibt der Figur des Kaufmanns, […] in Spiel und vokalem Ausdruck eine leicht ins Unernste driftende Würze. […] Dem hochbegabten jungen Killian Farrell, in Bremen seit Kurzem als Dirigent, Korrepetitor und Assistent des GMD engagiert, gelingt es eindrucksvoll, die ‚extreme Kammermusik‘ (Rihm) so präzise wie suggestiv zu gestalten. Ein bedeutender Abend mit frischen Impulsen für das viel gespielte Werk.“ (Opernwelt, Gerhart Asche, März 2020)

    „Nur aus elf Instrumenten besteht das erhöht hinter der Bühne postierte kleine Orchester, doch auch oder gerade diese ‚extreme Kammermusik‘ vermittelt Stimmungen von beklemmender Dichte. Dass der musikalische Sprachfluss sich nie in leerer Gestik verliert, ist der überlegenden Steuerung von Dirigent Killian Farrell zu verdanken. Fazit: Eine intelligente Inszenierung, die es sich anzuschauen lohnt. Sehen.“ (Peter Wolff, Kreiszeitung, 3. Februar 2020)

    „Die Bremer Aufführung ist nichts weniger als mitreißend. Dem Regisseur Marco Štorman gelingt es, uns zu betroffenen Zeugen zu machen von Lenz‘ Halluzinationen, Traumwelten, Ängsten, Schuldgefühlen, Aggressionen, seiner Sehnsucht, dazuzugehören und genau das nicht mehr zu können. […] Christoph Heinrich als Oberlin und Christian-Andreas Engelhard als Kaufmann kreieren erschütternde Konturen dieser für Lenz so bedrohlichen Fratzen. […] Die furchtbare innere Welt, in die uns Otelli schauen lässt, dieses ‚Schlaraffenland verwilderter Ideen‘ (Kaufmann), seine Angst, seine Schuld, sein Betteln, seinen Widerstand, seine Erinnerung an die geliebte Friederike Brion – alles wird in unglaublich schnell wechselnden Emotionen verständlich bei Otelli, der seinen Zustand einmal durch den Bühnenbau, aber auch durch Blickkontaktaufnahme mit dem Publikum existentiell vernetzt. Auch sängerisch eine überragende Leistung dieser unerhört anspruchsvollen Partie zwischen Sprechen, Sprechgesang, Registerwechseln und strömendem kraftvollen Singen.“ (Ute Schalz-Laurenze, Neue Musikzeitung, 3. Februar 2020)

    „Der Bassbariton Claudio Otelli bewältigt in Bremen diese extrem schwierige Partie exzellent. Er singt und haucht, keucht und jault, schreit und flüstert. Auch schauspielerisch kann er überzeugen, etwa in jenen Passagen, in denen er die stockenden Sarabanden-Rhythmen, mit denen Rihm seelische Starre signalisiert, körperlich umsetzt. […] Kongenial dazu ist das Bühnenbild von Jil Bertermann, die das anatomische Theater, das 1594 in Padua errichtet wurde, nachgebaut hat.“ (Peter Wolff, Blickpunkt Nienburg, 3. Februar 2020)