Schauspiel
Kleines Haus
Schloss Rosmersholm
nach Henrik Ibsen
Regie: Armin Petras
„Man soll sich nicht ständig selbst betrügen, man muss wenigstens einmal im Leben der Wahrheit ins Gesicht sehen.“ (Anton Tschechow) — Es ist still im alten Herrenhaus Rosmersholm. Johannes Rosmer, kinderlos und verwitwet, bewohnt es als letzter Vertreter der Familie. Ein Geisterhaus: wenig Gegenwart, viel Geschichte, kaum Zukunft. Die Schatten der Vergangenheit hocken in den Ritzen und warten nur darauf, ihre Sprengkraft zu entfalten. Ein Spukschloss.
Doch Rosmersholm könnte auch ein schöner, ein wunderbarer Ort sein, an dem Johannes Rosmer und Rebekka West ihre Liebe leben könnten, an dem die bösen Geister Ruhe geben, neue Gedanken gedacht werden können, an dem Aufbruchstimmung herrscht. Könnte. Aber die Mechanismen des Unglücks sind stark und die Kraft der Toten ist groß.
- Johannes Rosmer Manolo Bertling
Rebekka West Annemaaike Bakker
Beate Rosmer Lisa Guth
Rektor Kroll Simon Zigah, Guido Gallmann
Rektor Brendel Ferdinand Lehmann
Peder Mortensgård Alexander Angeletta
Madame Helseth Mirjam Rast, Julischka Eichel
Musiker Miles Perkin
Regie Armin Petras
Bühne Peta Schickart
Kostüme Cinzia Fossati
Licht Norman Plathe-Narr
Musik Miles Perkin
Dramaturgie Simone Sterr
- „Radikal trostlos ist Armin Petras‘ grandiose Henrik-Ibsen-Produktion ‚Schloss Rosmersholm‘, die kein Ziel kennt, keine Zukunft zulässt und der die Gegenwart zum nebelig-kalten Nichts gerät. […] Norman Plathe-Narr hat das Licht getötet, es ist kalt und unangenehm. […] Und wenn zum Schluss, wenn alles vorbei ist, die Wasserleiche ein Liebeslied singt, ist das kein Trost, sondern bloß das Ende: ortlose Traurigkeit. Schwer zu ertragen. Sehr gutes Theater.“ (Benno Schirrmeister, taz, 16. November 2019)
„Die Leiche nicht wegzuschaffen, war wirklich ein Geniestreich. Denn obwohl sich in Ibsens ‚Rosmersholm‘ ohnehin alles um die vorab verblichene Beate dreht, macht es einen schon richtig kirre, wie sie da die ganze Zeit in ihrer kalten Pfütze liegt. […] Gerade wegen der Handlungslosigkeit muss man anerkennen, wie vor allem Annemaaike Bakker als Rebekka und Manolo Bertling die Spannung nicht nur schaffen, sondern sie auch über gute zweieinhalb Stunden halten. Armin Petras' Regie vollbringt derweil das Kunststück, dieses Nichtgeschehen des Stücks zu fragmentieren, in Szenen zu zerlegen, die mitunter als bildgewaltige Grotesken ausfallen, dann wieder rotzigen Slapstick zeigen und dann eben auch wieder zutiefst tragisch ist.“ (Jan-Paul Koopmann, nachtkritik, 9. November 2019)
„Die konsequente Verschiebung der Handlung auf diese sinnliche Ebene findet ihre Entsprechung in der Gothic-Anmutung des Geschehens. Der angedeutete Grusel jedenfalls ist kein reiner Horror, sondern vor allem eine sanfte Gänsehaut, die sich durchaus mit Genuss ertragen lässt.“ (Falk Schreiber, Theater heute, Januar 2020)
„Mit blutunterlaufenen Augen und auch stimmlich eminent kraftvoll spielt Ferdinand Lehmann den vom Anarchisten zum Säufer verkommenen Rektor Brendel, der als Revenant im Hause Rosmer umgeht. Sehr vergnüglich sind die Szenen mit Julischka Eichel, die als überkandidelte Hausdame, Madame Helseth, ein beeindruckendes Gastspiel gibt. Furios geraten auch die Fahnenläufe von Alexander Angeletta in der Rolle des Peder Mortensgård, der als linksliberaler Publizist und Antipode des radikalen Reaktionärs Kroll Flagge zeigt.
Manolo Bertling als Geisterhausherr und zentrale Bezugsperson der Sektiererbande, agiert bis zum verheerenden Finale, das sich ein bisschen zieht, verhalten bis gravitätisch, was ihm gut steht. Umso nachhaltiger bleiben Sätze von ihm in Erinnerung, die das allegorische Potenzial von Petras' Aneignung unterstreichen. Etwa jener, nach dem die Zerrissenheit des Landes durch jedes Individuum geht.“ (Hendrik Werner, Weser-Kurier, 10. September 2019)
„Armin Petras hat als Regisseur so etwas wie eine Nacht der lebenden Toten geschaffen. Anders als Ibsens Vorlage ‚Rosmersholm‘ heißt es hier in Bremen eben ‚Schloss Rosmersholm‘. Wir sehen eine Art Spukschloss, in dem die verstorbene Beate als weißes Gespenst ständig präsent bleibt. Insgesamt hat Petras dynamisiert und aktualisiert. Zum einen gibt es viel Körpereinsatz, auf der Bühne wird gewirbelt, gerauft und gekullert. Zum anderen fallen aktuelle Stichworte wie ‚Wir sind die 99 Prozent‘, also das Motto der Occupy-Wallstreet-Bewegung. Feminismus und Rassismus sind ebenfalls Thema. Und auch Musik spielt eine Rolle, mal als Soundtrack, mal als Gesangssolo.“ (Christine Gorny, Bremen Zwei, 9. November 2019)
„Und während Petras mit seinen Protagonisten (in starken Hauptrollen: Manolo Bertling, Annemaaike Bakker und Simon Zigah) hieraus sein virtuoses Bewegungstheater entwickelt, ist es dieses Stück, das er nie zur Gänze aus der historischen Patina seiner Dielenholz-Knarrigkeit herausholen kann. Stattdessen sieht man einen hübschen kleinen Theater-Alptraum, genial strukturvoll von Norman Plathe beleuchtet, ein Schauerspiel ohne Grund, eine Tragödie im Kleinformat.“ (Sven Garbade, foyer, 01/2020)